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Traumzeit

Traumzeit

Titel: Traumzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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Seeluft und Liebe körperlich und emotional wieder herzustellen. Lisa hatte sich tatsächlich erholt. Die Wunden heilten, Hysterie und Kummer wurden Erinnerungen. Aber bei der Rückkehr nach Merinda mußte Joanna zu ihrer Bestürzung erleben, daß die Heilung nicht vollständig war. Lisa fürchtete sich vor jedem Hund, selbst vor dem harmlosesten. Der Fluch war an sie weitergegeben worden.
    »Mutter«, sagte Lisa jetzt mit strahlenden Augen. »An deiner Stelle würde ich vor Aufregung ohnmächtig werden! Alle
schwärmen
von Vater! Er ist richtig berühmt!«
    Joanna hatte es bewußt vermieden, Lisa Genaueres über ihre Vergangenheit und über Lady Emily zu erzählen. Sie hoffte, den Kreislauf zu durchbrechen, indem sie verhinderte, daß Lisas Vorstellungskraft ihn wieder in Gang setzte, so wie ihre eigene Phantasie es getan hatte. Joanna zweifelte inzwischen nicht mehr daran, daß es bei ihr so gewesen war. Lisa kannte das Tagebuch ihrer Großmutter nicht. Sie wußte nichts von Lady Emilys Leiden und ihrem seltsamen, unerklärlichen Tod. Und sie glaubte, bei Joannas Suche nach Karra Karra gehe es ihr nur darum, ein Stück Land zu finden, das ihren Großeltern gehört hatte.
    Und doch, dachte Joanna und fröstelte in der warmen Dezembernacht, zeigten sich bei Lisa trotz aller Vorsichtsmaßnahmen bereits dieselben Symptome. Diesmal konnte Joanna sie nicht Lisas eigener Phantasie zuschreiben.
    »Also los, ihr beiden«, sagte Frank, als die Droschke schließlich kam. »Wir wollen keine Zeit verlieren. Ich habe Hunger!«
    Das King George Hotel befand sich in der eleganten Elizabeth Street, nicht weit von der Wohnung entfernt, in der Ivy Dearborn einmal gelebt hatte. Als das Ehepaar Downs an der vertrauten grünen Haustür mit dem glänzenden Messingklopfer vorbeifuhr, spürte Ivy Franks Hand auf ihrer Hand. Sie lächelten beide bei der Erinnerung an diese Zeit.
    Im zweiten Wagen unterhielten sich Sarah und Adam aufgeregt über die Vorstellung. Lisa sagte Hugh noch einmal, wie stolz sie auf ihren berühmten Vater war. Währenddessen blickte Joanna aus dem Fenster und versuchte, die stechenden Kopfschmerzen, die sie seit Tagen quälten, durch Willensanstrengung zu vertreiben.
    Sie fuhren am Büro einer Schiffahrtsgesellschaft vorüber, und Joanna mußte daran denken, wie sie und Hugh nach der
Beowulf
geforscht hatten, dem Schiff, auf dem ihre Großeltern nach Australien gekommen waren. Nach langer, hartnäckiger Suche erfuhren sie, daß die Beowulf 1868 mit Mann und Maus untergegangen war. Das Schiff war in Privatbesitz gewesen. Der Besitzer und Kapitän war mit der Mannschaft ertrunken, und es gab keine Aufzeichnungen, Logbücher oder Passagierlisten mehr. Danach schrieb Joanna an die Gesellschaft für ehemalige Seeleute und mehrere andere Organisationen, weil sie hoffte, jemanden zu finden, der möglicherweise gleichzeitig mit ihren Großeltern auf der
Beowulf
gewesen war. Aus den spärlichen Antworten hatte sich allerdings nichts ergeben.
    Sie spürte eine Hand auf dem Arm und drehte sich um. Sarah sah sie fragend an.
    Joanna lächelte, wie um zu sagen: »Es ist alles in Ordnung« und erkundigte sich dann, welche Szene Sarah am besten gefallen habe.
    »Sie haben mir alle gut gefallen«, erwiderte Sarah. Sie dachte an Philip und wünschte sehr, er hätte an diesem Abend dabeisein können. Er wäre bestimmt von der Vorstellung begeistert gewesen.
    Der Tag auf dem Land fiel ihr wieder ein, als sie und Philip sich nach ihrer zufälligen Begegnung geküßt hatten. Danach waren sie stundenlang, ohne sich zu berühren, spazierengegangen. Philip erzählte ihr von seiner Kindheit in Amerika, von seiner Familie und den Veränderungen, die der Bürgerkrieg in seinem Leben bewirkt hatte. Sarah berichtete, wie sie als Nicht-Weiße, Nicht-Eingeborene in der Missionsstation aufgewachsen war. Sie sprachen über Architektur und Heilen, über Musik und Schafe, über Navajos und die Regenbogenschlange. Und wie Philip angekündigt hatte, trennten sich danach ihre Wege. Er ging zurück nach Tillarrara, um seine Skizzen zu beenden, und sie fuhr nach Merinda, um seiner Frau die Post zu bringen.
    In den fünf Jahren, die seit seiner Abreise vergangen waren, hatte Sarah gelegentlich von ihm gehört – unter anderem kam eine Weihnachtskarte aus Deutschland, ein Brief aus Sansibar, wo er muslimische Architektur untersuchte, und eine Postkarte aus Paris. Außerdem hatte er sein Buch geschickt mit einem Bild von Merinda auf dem Umschlag. Seine

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