Traumzeit
Känguruhfell ab, und der Mann darunter bleibt warm und trocken. Gehröcke dagegen werden vom Regen durchnäßt. Das Ergebnis war, daß viele Schwarze Lungenentzündung bekamen und starben. Gute Absichten, Mrs. Westbrook, bringen manchmal negative Ergebnisse hervor.«
Aber diese jämmerliche Szene sprach nicht nur von fehlgegangenen guten Absichten. Joanna sah in den leeren Gesichtern der Menschen, an denen sie vorüberkamen, völlige Selbstaufgabe. Es schien, als hätten sie einfach vor dem Leben kapituliert. Sie dachte an John und Naomi Makepeace und fragte sich, ob die Bewohner dieses Elendslagers in irgendeiner Form die Spätfolgen des Verbrechens waren, das ihr Großvater vor zwei- undfünfzig Jahren miterlebt hatte. Schlimmer noch, waren einige dieser Menschen vielleicht einmal Mitglieder der Sippe gewesen, bei der ihre Großeltern gelebt hatten?
»Man kann doch sicher etwas für diese Leute tun. Ist es denn nicht möglich, sie in ihre alten Stammesgebiete zurückzubringen?«
»Selbst wenn dieses Land verfügbar wäre, Mrs. Westbrook«, sagte Fox, »so würde das nicht helfen, denn die meisten wissen nicht mehr, wohin sie gehören. Sie könnten die Traumpfade nicht mehr erkennen, die unsichtbaren Wege, die die heiligen Stätten miteinander verbinden.«
»Können wir feststellen, ob es Leute darunter gibt, die aus Perth gekommen sind?«
»Wir können versuchen, sie zu fragen. Eine andere Möglichkeit gibt es nicht. Wir führen keine Akten von diesen Leuten. Ihre Zahl ändert sich ständig. Sie kommen und gehen nach Belieben. Manche sind an einem Tag da und am nächsten dort. Und vielleicht finden sie morgen früh hundert neue hier.«
»Ich suche einen Stamm mit dem Känguruh-Totem. Die Leute würden sich doch sicherlich an ihr Totem erinnern.«
Fox schüttelte den Kopf. »Viele von ihnen könnten Ihnen nicht einmal den Namen ihres Stammes nennen.«
»Ich möchte mit ihnen sprechen«, sagte Joanna. »Ich möchte wissen, ob jemand aus Perth darunter ist.«
»Ich muß Sie warnen, Mrs. Westbrook«, sagte der Kommissar. »Diese Leute sagen einem gewöhnlich das, was man ihrer Meinung nach hören will. Und das ist nicht unbedingt die Wahrheit.«
Sie traten zu einem alten Mann, der unter dem einzigen Baum weit und breit saß. Sein weißer Bart reichte ihm bis zur Hüfte, und er rauchte Pfeife. Joanna dachte bei seinem Anblick unwillkürlich an den alten Ezekial, der Lisa vor den Dingos gerettet hatte. Eric Graham zog Notizbuch und Bleistift hervor und begann zu schreiben:
Kommissar Fox fragte: »Sprichst du Englisch?«
»Ich sprech es«, sagte der alte Mann.
»Zu welchem Stamm gehörst du?«
Kleine, durchdringende Augen unter dichten Brauen musterten den Beamten. Der alte Mann gab keine Antwort, und Fox sagte: »Ich bin nicht in einer offiziellen Angelegenheit hier, alter Mann. Wir suchen lediglich ein paar Informationen. Weißt du etwas über Karra Karra?«
»Ja«, sagte der Mann, »ich kenn Karra Karra.«
»Mr. Fox«, sagte Joanna aufgeregt, »fragen Sie ihn, wo …«
»Einen Augenblick, bitte, Mrs. Westbrook. Alter Mann, kennst du den Platz, wo der Teller mit dem Löffel davongelaufen ist?«
»Ja, den kenn ich. Ich führ Sie hin.«
Fox murmelte: »Natürlich für Geld«, und wandte sich ab. »Verstehen Sie jetzt, was ich meine, Mrs. Westbrook?« fragte er. »Vielleicht erfahren Sie mehr, wenn Sie mit Schwester Veronika sprechen. Sie lebt seit Jahrzehnten in der Gegend. Sie könnte etwas wissen.«
»Schwester Veronika?«
»Sie ist eine der katholischen Nonnen, die am Stadtrand eine Schule und eine Krankenstation führen. Sie lebt seit ewigen Zeiten hier. Wenn Sie wollen, kann ich Sie gleich hinbringen.«
Sie verließen das Lager, und Eric Graham fragte sich, ob ihm diese Reise vielleicht doch keine so aufregende Geschichte bringen werde. Kapitän Fielding blieb einen Augenblick stehen, um sich eine Pfeife anzuzünden, und Lisa wurde plötzlich auf einen Wegweiser aufmerksam. Im Sand steckte schief ein Pfahl, an den mehrere ungelenk beschriftete Pfeile genagelt waren, die in verschiedene Richtungen wiesen. Auf einem stand »Bustard Creek, 20 km südlich.« Lisa lächelte. Ein Witzbold hatte mit Farbe aus dem »u« ein »a« gemacht.
Auf den anderen Pfeilen stand: »Johnson’s Well«, »Durrakai« und »Laverton«.
Lisa schüttelte verwundert den Kopf. Soweit sie sehen konnte, gab es zu den Pfeilen keine Wege oder Straßen.
Die Schule und die Krankenstation der Nonnen überraschte
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