Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Traumzeit

Traumzeit

Titel: Traumzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
Vom Netzwerk:
zittern, und alles schien sich zu drehen. Joanna wußte, der Schock setzte ein.
    Sie richtete ihren Blick auf einen Eukalyptusbaum in der Nähe, der die Flutwelle überstanden hatte. Sie zwang sich, zu diesem Baum zu gehen. Sie lehnte sich zitternd und mit klappernden Zähnen an den Stamm. Es wurde ihr schwarz vor Augen, aber dann konnte sie wieder sehen. Joanna wußte, sie würde ohnmächtig werden. Sie setzte sich schnell und legte den Kopf auf die Knie.
    »O Gott«, stieß sie schluchzend hervor, »hoffentlich sind die anderen noch am Leben. Lisa …«
    Nach einigen Augenblicken ließ das Schwindelgefühl nach, und Joanna fand die Kontrolle über sich wieder. Sie musterte aufmerksamer ihre Umgebung. Der Helligkeit nach zu urteilen war es ungefähr Mittag. Sie sah dieselbe leblose Einöde mit vereinzelten Eukalyptusbäumen und
Mulga
wie seit Wochen, aber jetzt waren die Bäume und Büsche entwurzelt und fahle Wurzeln ragten in den Himmel. Vom Lager fehlte jede Spur – kein Stuhl, kein Kamelsattel. Buchstäblich alles schien vom Erdboden weggewischt worden zu sein.
    Und Lisa. Wo war Lisa?
    Auch der Lederbeutel war verschwunden – der Feueropal, das Tagebuch, alles …
    Joanna stand mühsam auf und hielt sich an dem Baum fest. Nicht weit entfernt glitten Schatten über den Sand. Sie hob den Kopf und entdeckte am Himmel große Vögel, die langsam ihre Kreise zogen.
    Und dann sah sie etwas: Im Sand lag eine dunkle Gestalt.
    Sie erkannte die blaue Jacke mit den Messingknöpfen. »Kapitän Fielding!« rief sie und lief schwankend auf ihn zu. »Gott sei Dank!«
    Der Kapitän lag seltsam verdreht auf dem Rücken. Er hatte die Augen geschlossen, aber sein Mund stand offen. Sie fühlte am Hals nach dem Puls. Er war tot.
    Joanna schlang die Arme um die Knie und kämpfte gegen die aufsteigende Panik und Hysterie an. Sie hatte noch nie im Leben solche Angst gehabt. Außerdem brannte ihre Kehle. Sie hatte schrecklichen Durst. Wo sollte sie Wasser finden? Seltsamerweise war die Erde trocken. Und das nach dieser gewaltigen Flutwelle? Wie lange war sie wohl bewußtlos gewesen?
    Joanna blickte angstvoll zu einem Adler hinauf, der über ihr kreiste. Sie wußte, daß Adler manchmal neugeborene Lämmer raubten und sogar Babys. Würde der Raubvogel eine hilflose Frau angreifen?
    Sie durfte nicht die Nerven verlieren. Die Flutwelle hatte alles davongetragen. Aber sie hatte überlebt. Es war demnach nicht auszuschließen, daß auch die anderen überlebt hatten, und vielleicht fanden sich einige Vorräte in der Umgebung.
    Während die großen Vögel am Himmel kreisten, bedeckte Joanna die Leiche des Kapitäns mit Sand und Steinen. Dann fertigte sie aus Zweigen ein Kreuz und steckte es am Kopfende des Grabes in die Erde. Sie sprach kniend ein Gebet. Dann stand sie auf. Die Jacke des Kapitäns hatte sie behalten.
    Joanna blickte zum Himmel hinauf und hielt Ausschau nach der Sonne, aber von Horizont zu Horizont erstreckte sich eine eintönige weiße Wolkendecke, die sie zu verhöhnen schien. Sie betrachtete die entwurzelten Bäume und Büsche genauer und erkannte daran den Verlauf der Flutwelle. Dann machte sie sich auf den Weg.
    Als sie das Grab hinter sich ließ, achtete sie auf besondere Merkmale in der Landschaft. Hunger meldete sich, und der quälende Durst erinnerte sie daran, daß sie möglichst schnell Wasser finden mußte. Beim Gehen rief sie immer wieder: »Lisa! Sammy! Mr. Graham!«
    Nach wenigen hundert Metern stieß sie auf ein paar vertraute Dinge: ein gefüllter Wasserschlauch; eine Dose mit gesalzenem Rindfleisch und eine andere mit Keksen. Sie fand sogar Eric Grahams Hut. Sie trank etwas Wasser und versuchte, ihre Lage einzuschätzen. Wenn sie nichts verschwendete, hatte sie genug zu essen und zu trinken, um ein paar Tage zu überleben.
    Sie mußte Lisa finden. Aber wo sollte sie nach ihrer Tochter suchen? Wie weit würde sie mit den wenigen Dingen, die sie gefunden hatte, gehen können? Dann erinnerte sie sich an die Warnung von Kapitän Fielding. Wenn sie den falschen Weg einschlug, geriet sie möglicherweise in die Große Victoria-Wüste, die noch feindlicher und bedrohlicher war. Dort würde sie bestimmt sterben. Dann dachte sie an Hugh. Vermutlich befand er sich bereits in Perth oder saß im Zug, der ihn nach Kalagandra brachte. Wenn er sie nicht im Hotel fand, würde er sich sofort auf den Weg machen, um sie zu suchen. Deshalb beschloß sie, nicht weiterzugehen, sondern auf Rettung zu warten.
    3
    Joanna trank

Weitere Kostenlose Bücher