Traumzeit
aus.«
Sie lächelte und zog ihre Handschuhe an. »Danke, Judd. Ich fahre nach Lismore, um Frank zu besuchen. Es gibt noch einiges zu klären, bis ich endgültig Besitzerin von Kilmarnock bin. Woran arbeitest du mit soviel Hingabe?«
»Nun ja, ich denke über unsere Lage nach. Wir können die restlichen Schafherden nicht mehr retten. Es gibt kein Mittel gegen die grüne Schmeißfliege. Wir können die Tiere deshalb zu Talg verarbeiten lassen und haben damit alles Weideland zur Verfügung. Ich habe eine neue Idee für Kilmarnock – Weizenanbau! Das bringt zur Zeit große Gewinne, Mutter. Du weißt doch, Onkel Frank hat mir im letzten Jahr zu meinem einundzwanzigsten Geburtstag diese Anteile an der Broken-Hill-Silbermine geschenkt. Glaubst du, er hat etwas dagegen, wenn ich sie jetzt verkaufe?«
»Ich glaube nicht. Schließlich gehören sie dir. Also du möchtest Weizen anbauen? Ich glaube, die Idee gefällt mir.«
»Die Anfangsinvestitionen sind geringer, man braucht weniger Arbeitskräfte und macht sehr viel größere Gewinne. Außerdem habe ich mit einer neuen Weizenart gearbeitet, die auch in Trockengebieten gedeiht.«
Pauline sah, wie er beim Sprechen die Hände bewegte und die Augenbraue etwas hob, wie immer, wenn er sich für etwas begeisterte. Er erinnert mich sehr an Colin, dachte sie, an Colin, bevor ihn die Jahre der Bitterkeit und der Enttäuschungen altern ließen. Pauline erkannte, daß Judd seinem Vater in vieler Hinsicht ähnlich war. Er war eigensinnig, er lebte und starb für seinen Traum. Aber Judd besaß auch etwas vom sanfteren Wesen seiner Mutter Christina, die vor vierzehn Jahren gestorben war.
»Ich werde zum Abendessen wieder zurück sein«, versprach Pauline und gab ihm einen Kuß auf die Wange. »Ich habe Jenny gebeten, für heute abend deinen Lieblingsauflauf zu machen.«
Als sie an der Tür stand, sagte Judd: »Weißt du, er hat dich nie anerkannt.«
Sie lächelte traurig. »Vielleicht doch … auf seine Weise.«
»Glaubst du, er wird je zu uns zurückkommen?«
»Das weiß ich nicht, Judd.«
»Wenn er kommen sollte, dann gehört Kilmarnock aber dir. Wirst du ihm die Rückkehr erlauben?«
»Auch das weiß ich nicht.«
Pauline versuchte, nicht daran zu denken, was sein könnte oder was die Zukunft bringen mochte. Sie war entschlossen, das Leben auf ihre Weise zu führen; trotz allem, was ihre Freundinnen dachten. Sie hatte oft genug erlebt, daß die Gesellschaft die Schuld stets der verlassenen Frau zuschob, als sei es irgendwie ihr Fehler, wenn der Mann sie im Stich ließ. Aber in Paulines Augen hatte Colin sie nicht verlassen. Er war aus Scham davongelaufen. Er konnte vor sich selbst nicht mehr bestehen und hoffte, auf der alten Burg in Schottland einen Rest seiner Selbstachtung zu erhalten. Sie machte ihm keinen Vorwurf, weil er dem finanziellen Ruin und einer Ehe entfliehen wollte, die er nicht hätte schließen dürfen. Pauline trat nach wie vor im Distrikt in Erscheinung; sie besuchte gesellschaftliche Ereignisse und trug den Kopf hoch, auch wenn einige Leute sie schief ansahen und hinter ihrem Rücken über sie tuschelten. Außerdem hatte sie um Kilmarnock gekämpft. Mit ihrem Erbe und mit Franks finanzieller Unterstützung hatte sie Colins Schulden bezahlt. Kilmarnock war nun ihr Zuhause, und sie wollte es nie wieder verlassen.
»Von jetzt ab wird alles gutgehen, Mutter«, sagte Judd, »du wirst es sehen.«
Als Pauline die Tür öffnete, dachte sie an das Wunder, das sich ereignet hatte, als sie im Verlauf der tragischen Ereignisse plötzlich aufhörte, in Judd das Kind einer anderen Frau zu sehen.
»Ah, da bist du ja!« hörte sie plötzlich eine Stimme.
Sie drehte sich überrascht um und sah Frank vor sich stehen. »Ich wollte dich gerade auf Lismore besuchen«, sagte sie.
»Ja, ich weiß«, erwiderte er, »aber es ist etwas dazwischengekommen. Ich muß sofort nach Merinda fahren. Ich wollte dir nur schnell sagen, daß wir unsere geschäftlichen Dinge vertagen müssen.«
»Was ist auf Merinda geschehen?«
»Joanna scheint in Westaustralien in ernste Schwierigkeiten geraten zu sein. Hugh hat mich um Hilfe gebeten.«
»Was für Schwierigkeiten?«
»In seiner Nachricht hat er nichts Genaueres geschrieben. Aber es ist dringend, was immer es auch sein mag.«
»Ich begleite dich«, sagte Pauline erschrocken.
Judd griff nach seiner Jacke. »Ich möchte auch mitkommen.«
4
Als sie in Merinda vorfuhren, sagte Frank: »Das ist ja Reeds Pferd.«
»Und ist das
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