Traumzeit
Militärlager, und seine Leute waren Soldaten. Sie ritten jeden Tag über die Weiden und inspizierten die Schafe. Kranke Tiere wurden auf der Stelle erschossen und begraben. Die Gesunden wurden geschoren und, um sie vielleicht zu retten, durch äußerst widerliche Desinfektionsbäder getrieben. Die Männer kamen erschöpft, verdreckt und niedergeschlagen ins Lager zurück. Sie tranken den starken Tee und aßen Ping Lis belegte Brote. Dann schwangen sie sich wieder in den Sattel und machten sich auf zur nächsten Runde in diesem qualvollen Krieg, der kein Ende nahm. Auch Hugh war niedergeschlagen. Er hätte sich gerne eine Pause gegönnt, aber es wartete zuviel Arbeit auf ihn. Der Befall der Schafe hatte alarmierende Dimensionen angenommen, und die Tage vergingen wie im Flug, ohne daß er die Hoffnung hatte, ein wirkungsvolles Mittel gegen die Fliegen zu finden.
Wie er vor drei Monaten befürchtet hatte, schlüpften mit Beginn der warmen Jahreszeit Millionen Fliegen und fielen wie tödliche Wolken über die Schafe der Farmen im westlichen Distrikt her. Aber die Plage herrschte nicht nur in dieser Gegend. Überall in Südostaustralien starben Schafe zu Tausenden, während die Schafzüchter von Adelaide bis Queensland alles taten, um ein Gegenmittel zu finden, das der Fliegenpest Einhalt gebot.
Hugh griff wieder nach dem Federhalter, um weiterzuschreiben, aber zuerst blickte er seufzend auf Joannas Foto, das auf dem Arbeitstisch neben ihm stand. Sie fehlten ihm so sehr! Immer wieder wünschte Hugh, sie wäre mit ihm zurückgefahren, oder er hätte bei ihr in Westaustralien bleiben können. Er schrieb ihr regelmäßig und informierte sie ausführlich über seinen endlosen Kampf gegen die Fliegen, aber von ihr hatte er bisher nichts gehört. Man hatte von schweren Stürmen in der Großen Australischen Bucht berichtet. Schiffe waren gesunken, von denen einige Post an Bord hatten. Außerdem brach durch einen Streik der Seeleute der gesamte Schiffsverkehr an der Südküste völlig zusammen. Hugh wußte auch, daß Telegrafieren unzuverlässig war. Buschfeuer zerstörten die Leitungen und aufsässige Aborigines warfen gelegentlich mutwillig die Masten um.
Bald, mein Liebling, dachte Hugh, bald werde ich kommen. Er stellte sich vor, mit welcher Ungeduld Joanna auf ihn im Golden Age Hotel wartete.
Er konzentrierte sich wieder auf seine Notizen. Er führte gewissenhaft über die Entwicklung der Fliegenplage Tagebuch. Inzwischen waren seine Aufzeichnungen eine Chronik der Fehlschläge und Mißerfolge vom ersten Eintrag an: ›Die Wolle von zwei Schafen in einer Mischung aus Tabak und Schwefel getränkt, aber die Fliegeneier reagieren nicht darauf.‹
›Dritte Woche – eine Herde Widder ist nach einem Desinfektionsbad aus Kalk und Schwefel schwer erkrankt. John Reed vermutet, die Tiere haben die giftigen Dämpfe eingeatmet. Ich setze deshalb das Mittel ab.‹
›Fünfte Woche – wir experimentieren mit höherer Wassertemperatur. Dadurch verliert die Wolle den Fettschweiß und wird beschädigt. Wir werden die Wassertemperatur wieder senken, obwohl Ian Hamilton das bereits erfolglos versucht hat.‹
›Achte Woche – Angus McCloud berichtet von einem Experiment mit sechs Monate alten Lämmern. Die Wolle wurde danach fleckig, und der Fliegenbefall ließ nicht nach.‹
›Zehnte Woche – Frank Downs hat auf Lismore erschreckende Verluste.‹
›Elfte Woche – Die Widderherde ist befallen. Ich muß alle Tiere töten.‹
Hugh schrieb langsam: ›Zwölfte Woche – ich bin jetzt der Meinung, daß die grüne Schmeißfliege ihre Eier beinahe ausschließlich auf lebenden Schafen absetzt. Deshalb gelingt es nicht, die Brut zu vernichten und die Fliegenplage erfolgreich einzudämmen. Man muß eine Methode finden, den Lebenszyklus der Schmeißfliege zu unterbrechen.‹
Er blickte auf die Gläser, die aufgereiht auf dem Arbeitstisch standen. Er hatte darin Wollproben von Merinda-Schafen gesammelt, die er mit den üblichen Desinfektionsmitteln behandelt hatte. Auf den Etiketten stand: ›Schmeißfliegeneier, ein Tag alt.‹ ›Schmeißfliegen im Puppenstadium‹ und ›Maden nach dem Scheren‹. Er hatte damit den Beweis, daß traditionelle Desinfektionsbäder, mit denen man üblicherweise die Schafe vor dem Befall schützte, bei dieser besonderen Fliegenart ohne die erwünschte Wirkung blieben.
Hugh schrieb weiter: ›Ich werde jetzt die Ergebnisse meines Experiments mit Arsenbädern überprüfen.‹
Als er mit anderen
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