Traumzeit
nicht die Kutsche der Hamiltons?« sagte Pauline. »Hugh scheint alle um Hilfe gebeten zu haben.«
»Dann muß es sehr ernst sein«, Frank half seiner Schwester beim Aussteigen.
Zu ihrer Überraschung standen im Wohnzimmer viele Menschen. Sogar Ezekial war da. Als die drei eintraten, meinte der alte Mann gerade: »Meine Augen sind gut. Nehmen Sie mich mit. Ich werde die Missus finden.«
»Vielen Dank, Ezekial«, sagte Hugh, »ich weiß diese Hilfe zu schätzen.«
Pauline staunte über Hughs Aussehen. Er war ungekämmt, und er hatte sich nicht wie üblich umgezogen, wenn er Gäste empfing. Außerdem lag in seiner Stimme und seinen Augen etwas, das sie an ihm noch nie erlebt hatte.
»Hugh«, sie ging zu ihm, »was ist geschehen?«
Er erzählte ihr, was Kommissar Fox geschrieben hatte und von seinem Versuch, ein Telegramm nach Westaustralien zu schicken. Aber auf dem Telegrafenamt in Cameron Town hatte man ihm erklärt, die Leitungen seien noch nicht repariert. Hugh hatte sich deshalb zu einer Expedition entschlossen, um Joanna in Westaustralien zu suchen.
»Das ist etwas für mich«, erklärte Frank sofort. »Ich habe weiß Gott Erfahrungen im Zusammenstellen einer Expedition. Und diesmal schicke ich keinen Reporter. Ich werde selbst mitkommen. Wenn Eric Graham stirbt, werde ich mir das nie verzeihen.«
Judd sagte zu Hugh: »Und was ist mit Ihrer Tochter? Lisa ist doch mit ihrer Mutter gefahren?«
Hugh konnte kaum sprechen und erwiderte leise: »Sie ist auch vermißt.«
»Wenn ich darf«, sagte Judd erschüttert, »dann möchte ich auch mitkommen.«
Aber Hugh schüttelte den Kopf. »Es ist für uns alle besser, wenn Sie hierbleiben, Judd. Mit meiner Arsen-Desinfektion kann man die Schmeißfliege erfolgreich bekämpfen. Jetzt müssen alle Züchter informiert werden. Vielleicht gelingt es einigen, ihre Herden noch zu retten. Sie sind der beste Mann für diese Aufgabe, Judd. Ich werde Ihnen das genaue Mischungsverhältnis erklären. Die anderen hören auf Sie und werden Ihnen vertrauen.«
Später, als alle Pläne durchgesprochen waren, die Teilnehmer der Expedition feststanden und Mrs. Jackson die Kaffeekanne oft gefüllt hatte – nachdem alle gegangen waren und sich eine bedrohliche, abwartende Stille über das Haus senkte –, ging Sarah zu Hugh. »Ich werde dich nach Westaustralien begleiten. Ich werde dir helfen, Joanna und Lisa zu finden.«
Kapitel Dreißig
1
»Mutter«, sagte Lisa, »was ist denn los? Die Frauen verhalten sich so merkwürdig.«
»Ja, das stimmt, es ist mir auch schon aufgefallen«, erwiderte Joanna.
Sie legte die Hand über die Augen und blickte lange auf den westlichen Horizont, wie sie es seit fünf Monaten Tag für Tag tat, seit sie mit Lisa bei den Aborigines lebte. Aber wieder einmal war nichts zu sehen – keine Männer, keine Kamele, nur die rote, tote Wüste, soweit das Auge reichte. Trotzdem gab sie die Hoffnung nicht auf, daß sie bald gerettet werden würden. Hugh würde sie finden, daran zweifelte sie nicht.
»Hast du Angst, mein Schatz?« fragte sie Lisa und blickte zu den schwarzen Frauen hinüber, die Nahrungsmittel sammelten. Diese Frauen waren inzwischen alle ihre Freundinnen. Aber an diesem Tag wirkten sie so anders, so ungewöhnlich ausgelassen.
»Aber nein«, sagte Lisa, »ich habe sie nur noch nie in einer solchen Verfassung erlebt. Sie werden uns doch nicht hier allein lassen, Mutter? Wenn Vater uns doch endlich finden würde. Ich möchte wirklich wieder nach Hause.«
In den ersten Tagen bei der Sippe hatte Joanna nach einer Möglichkeit gesucht, nach Kalagandra zurückzukehren. Als Lisa wieder bei Kräften war, versuchte sie den Sippenältesten ihren Wunsch zu verdeutlichen, denn sie hoffte, die Aborigines könnten ihnen helfen, zur Zivilisation zurückzufinden. Aber die Sippe befand sich auf dem Weg nach Osten zu einem Versammlungsplatz, wo sie an einem wichtigen
Corroboree,
einem Fest, teilnehmen wollte. Deshalb konnte Joanna sie nicht überreden, nach Westen, in Richtung Kalagandra zu ziehen. Man wollte ihr auch keine Begleiter mit auf den Rückweg geben. Daraufhin hatte Joanna erwogen, sich mit Lisa allein auf den Weg durch die Wüste zu machen, aber die Alten gaben ihr zu verstehen, bis Kalagandra sei es ein sehr, sehr langer und gefährlicher Weg. Allein auf sich gestellt würden sie die vielen Gefahren wahrscheinlich nicht überleben. Und die alte weise Naliandrah hatte Joanna versichert, nach dem Stammesfest werde die Sippe wieder nach Westen
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