Traumzeit
Sonnenlicht zu dämpfen, aber im Schein der Petroleumlampen sah man deutlich die weiße Haut und die blonden Haare. »Es geht mir gut, Liebling«, erwiderte sie, »ich bin nicht krank. Ich bekomme nur ein Kind.«
Colin sah David Ramsey an, der mit seinen rötlichen Haaren und dem schlaksigen Körper zu jung für einen Arzt zu sein schien. »Wie geht es ihr, Doktor?« fragte Colin.
»Ihre Frau hat einen zu engen Gebärmutterhals, Mr. MacGregor«, erwiderte Ramsey und legte das Stethoskop in die Tasche zurück. »Das bedeutet, sie ist möglicherweise nicht in der Lage, ein Kind auszutragen. Ich könnte operieren, aber ein chirurgischer Eingriff löst manchmal eine Fehlgeburt aus. Ich empfehle strenge Bettruhe, wenig Bewegung und keinerlei Belastungen und Aufregungen.«
Die Diagnose klang zwar besorgniserregend, aber Colin fand sie trotzdem erfreulich. Wissenschaftliche Fakten waren tröstlich und standen im Gegensatz zu der Unfähigkeit des alten Doc Fuller, der den Vollmond und Gänsefedern in den Kopfkissen für Christinas frühere Fehlgeburten verantwortlich gemacht hatte. Colin war froh, daß er John Reeds Rat befolgt und David Ramsey gerufen hatte, obwohl er noch so jung war und noch nicht lange praktizierte.
Colin ergriff die Hände seiner Frau und sah sie nachdenklich an. Nach acht Ehejahren umgab sie noch immer der Zauber, der ihn an einem wundervollen Abend in Glasgow in Bann geschlagen hatte. Colin machte sich die allergrößten Sorgen. Die gefährliche Schwangerschaft war nicht seine Absicht gewesen. Nach Judds Geburt hatte Christina zwei Fehlgeburten und eine Totgeburt gehabt. Trotz Colins Einwänden hatte Christina ihn überredet, es noch einmal mit einem Kind zu versuchen. Jetzt betete er darum, daß er es nicht werde bereuen müssen.
Der Butler erschien mit einer Visitenkarte auf dem Tablett. »Sie haben eine Besucherin, Madam«, sagte er und reichte Christina die Karte.
»Nein«, erklärte Colin, »kein Besuch heute.«
»Aber Liebster, es ist Pauline Downs. Ich würde sie sehr gerne sehen.«
»Keine Sorge, Mr. MacGregor«, sagte Dr. Ramsey, »Ihre Frau kann Besuch empfangen, solange sie sich dabei nicht anstrengt oder zu sehr aufregt.«
»Du mußt auf dich aufpassen und auf das Kind«, sagte Colin zu Christina. »Ich könnte es nicht ertragen, dich zu verlieren. Ohne dich, Christina, hätte mein Leben keinen Sinn mehr.«
Pauline betrat das Zimmer und sah, wie zärtlich und liebevoll Colin seine Frau küßte. Dann hörte sie, wie er sagte: »Wenn es dir wieder gutgeht, dann fahre ich mit dir und den Kindern zu einem Besuch nach Hause. Wir werden das Mondlicht auf der Heide sehen und wir übernachten in dem Gasthaus, wo wir als jungverheiratetes Paar unsere erste Nacht verbracht haben.« Pauline dachte: So wird es auch bei mir und Hugh einmal sein.
»Pauline«, begrüßte sie Christina, »wie nett von Ihnen, daß Sie mich besuchen. Bitte setzen Sie sich. Kennen Sie Dr. Ramsey schon? Dr. Ramsey, ich möchte Sie mit Miß Pauline Downs bekannt machen. Colin, bist du so freundlich und läßt uns Tee bringen?«
»Wie ich höre, hat Westbrook jetzt auch einen Sohn«, sagte Colin zu Pauline und ging zum Klingelzug. »Aber es ist doch nicht dasselbe wie ein eigenes Kind, nicht wahr?«
Pauline interessierte sich nicht für Colin MacGregor, aber sie gab zu, daß er der gutaussehende dunkle Typ des Kelten aus dem schottischen Hochland war. Sie wußte, daß mehrere Frauen im Distrikt den geheimen Wunsch geäußert hatten, ihn ›näher‹ zu kennen.
»Da wir gerade von Hugh sprechen, haben Sie das gesehen?« fragte Christina und gab Pauline die Zeitung. »Sie müssen sehr stolz auf ihn sein.«
Pauline hatte das Gedicht bereits gelesen, das Frank auf der ersten Seite der
Melbourne Times
gedruckt hatte. Es war Hughs neueste Ballade »Treibertage«, das er wie alle seine Gedichte unter dem Pseudonym »Der alte Treiber« veröffentlicht hatte.
»Der Staub weht über das südliche Land,
Der Staub folgt den zehntausend
Über den schwarzen Boden, über den Sand,
Über die roten Berge.«
Hugh ist zu bescheiden, dachte Pauline. Ich muß ihn dazu überreden, unter seinem richtigen Namen zu veröffentlichen.
»Wie geht es Ihnen, Christina?« fragte sie. »Ich habe von Maud Reed erfahren, daß Sie morgens unter Übelkeit leiden.«
»Und mittags und abends!« erwiderte Christina lächelnd. »Aber heute geht es mir besser. Das habe ich auch Dr. Ramsey gesagt. Man hat mir gestern
das
gebracht.«
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