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Traumzeit

Traumzeit

Titel: Traumzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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länger Fieber. Das führt zu einer so schwerwiegenden Entkräftung, daß eine Lungenentzündung unvermeidlich wird, selbst wenn der Typhus überwunden ist. Und daran werden sie mit Sicherheit sterben. Es sei denn, sie sterben schon vorher an Bauchfellentzündung infolge der Darmperforationen. Die Dauer der Krankheit führt zum Tod, Joanna, nicht der Typhus an sich. Wenn wir ihn nur schneller aus dem Körper vertreiben könnten. Wenn wir ihn nur genauso schnell heilen könnten, wie er auftritt.«
    »Ich kenne keine solche Therapie, David.«
    »Ich arbeite an einer, Joanna«, sagte er. »Ich habe kürzlich gelesen, daß Ärzte in Europa mit einer neuen Behandlungsmethode experimentieren. Sie desinfizieren den Darmtrakt mit wiederholten Dosen von Jod und Karbolsäure.«
    »Aber das sind doch Gifte.«
    »Nur in zu großen Mengen. Häufige Darmspülungen entfernen die typhösen Mikroorganismen aus den Eingeweiden, und der Patient erholt sich. Das leuchtet mir ein, Ihnen auch?«
    »Hatten diese Ärzte großen Erfolg mit ihrer Behandlung?«
    Er runzelte die Stirn. »Es ist alles noch im Stadium der Experimente. Man hat Erfolg verzeichnet, aber es kam auch zu Todesfällen.«
    »David, ich glaube, ich behandle die Patienten lieber nach den Erfahrungen meiner Mutter, ich meine durch ständige Pflege.«
    Doch David dachte an Edward Jenner, der einen Impfstoff gegen Pocken entwickelt hatte, und an Rudolf Virchow, dem als erster der Nachweis gelungen war, daß Krankheiten von mikroskopischen Zellen ausgelöst wurden. Diese Männer hatten alle einen wesentlichen Beitrag zur Medizin geleistet. David Ramsey wollte es ihnen unbedingt gleichtun.
    Die Epidemie breitete sich immer weiter aus. Der eine Pfarrer und die drei Prediger im Distrikt hatten alle Hände voll zu tun mit Beerdigungen und trauernden Angehörigen. Aber die Kirchen blieben bedrückend leer und still. Man hatte den Menschen geraten, alle Kontakte zu meiden, um sich nicht anzustecken.
    Doch auch die, die sich in ein selbstgewähltes Gefängnis begaben, wie die Ormsbys auf Strathfield und die MacGregors auf Kilmarnock, blieben nicht von der Krankheit verschont. Verschlossene Fenster und Türen vermochten den gefürchteten Typhus nicht abzuwehren. Er lauterte im Wasser, das sie tranken, in den Mahlzeiten, die sie aßen. Die Menschen konnten nicht ahnen, daß etwas so Winziges, wie ein für das Auge nicht sichtbarer Bazillus, tödlich sein konnte. Dr. Ramsey versuchte, alle über Mikroorganismen aufzuklären, aber wie sollte man sich vor etwas fürchten, das man nicht sah?
    Als Christina MacGregor über Kopf- und Halsschmerzen klagte, ritt Colin sofort nach Cameron Town und weckte David Ramsey, der sich eine Stunde Schlaf gönnte.
    »Sie müssen das Fieber mit feuchten Tüchern niedrig halten«, sagte Ramsey nach der Untersuchung. »Geben Sie ihr soviel zu trinken, wie sie aufnehmen kann. Außerdem ist es im Zimmer zu heiß und stickig. Öffnen Sie die Fenster und lassen Sie frische Luft herein. Wenn sich ihr Zustand verschlechtert, und ich nicht erreichbar bin, dann weiß Joanna Drury auf Merinda, was zu tun ist.«
    Christina war im achten Monat schwanger. »Was wird aus dem Baby, Doktor?« fragte MacGregor.
    Aber Ramsey wagte keine Prognose.
    Hugh und Frank ritten Tag für Tag über Land. Sie halfen Farmern, Frauen und Kinder zu begraben. Sie brachten erkrankte Schafhüter nach Merinda in das improvisierte Krankenhaus. Joanna sorgte dafür, daß alle Patienten ständig in kühlende, feuchte Tücher gehüllt wurden, daß sie genügend aßen und tranken, und sie achtete darauf, daß die Säcke mit den Eukalyptusblättern ständig gewechselt wurden. Sie ging durch die Reihen der Betten, überprüfte mit Dr. Ramseys Thermometer die Temperatur der Patienten und desinfizierte es jedesmal mit Alkohol. Das Fieber stieg und stieg. Der Puls wurde langsamer. Auf den geschwollenen Bäuchen erschienen gerötete Stellen. Die Männer warfen sich im Fieberwahn heftig hin und her.
    Und die Epidemie verbreitete sich immer weiter.
    2
    Ezekial stand so still und schweigend wie die Eukalyptusbäume um ihn herum. Er beobachtete Sarah bei ihrem täglichen Ritual unten am Fluß. Seit dem Ausbruch der Krankheit auf Merinda erschien das Mädchen jeden Morgen am See und besang die Dinge, die sie aus dem Haus mitbrachte: ein Kamm, ein Taschentuch, eine Bibel. Der alte Mann wußte, diese Gegenstände gehörten den Weißen, bei denen Sarah lebte. Sarah benutzte sie für den Zauber, mit dem sie

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