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Traumzeit

Traumzeit

Titel: Traumzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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gegangen war und nicht mehr zurückkehrte. Sarah sang, um Hugh und Joanna zusammenzubringen.
    Beim Singen bedeckte sie die Gegenstände sorgfältig mit Erde, damit man sie nicht finden würde. Dann lehnte sie sich zurück und spürte, daß der alte Mann wieder zwischen den Bäumen stand. Er hielt einen Bumerang in den Händen. Diese Art Bumerang kauften die Weißen in der Mission und hängten sie als Schmuck an ihre Wände. Ezekial kam Sarah einen Augenblick wie ein Geist vor. Er trug wie immer Hemd und Hose, die er von der Mission erhalten hatte. Aber um den Kopf sah sie ein Stirnband aus Haar und an den nackten Armen die alten Stammesnarben, die man ihm vor langer, langer Zeit in die Haut geschnitten hatte.
    Er kam durch die Bäume auf sie zu, denn jetzt war das Ritual vorbei, und es war nicht mehr tabu, sich ihr zu nähern. Sarah erhob sich und begrüßte ihn ehrerbietig. Sie sahen sich auf der vom Sonnenlicht gesprenkelten Lichtung lange an.
    Sarah begann das Gespräch: »Hier wirkt ein starker Zauber, Alter Vater. Es ist der Zauber der Hüterin der Gesänge und der Zauber des Gift-Gesangs. Sie bekämpfen sich. Ich brauche deine Hilfe.«
    Er blickte auf den Bumerang in seiner Hand. Er war zum Töten gedacht und nicht von der Art, die zurückkam. Er hatte ihn vor langer Zeit selbst geschnitzt und mit den magischen Symbolen seiner Jugend versehen. Während er sie jetzt betrachtete, überlegte er, was es wohl zu bedeuten hatte, daß er in den vergangenen Wochen mehr nachgedacht hatte als in seinem ganzen Leben. Er hatte gewartet und beobachtet, so wie er es Sarah angekündigt hatte, und seine Verwirrung wich noch immer nicht. Nichts war mehr einfach. In den alten Tagen wurde alles von Regeln bestimmt, etwa, wann eine Schwiegermutter zu ihrem Schwiegersohn sprechen durfte oder daß eine Mutter mit ihrem Sohn in der Zeit seiner Einweihung nur in einer bestimmten Weise sprach. Das Gesetz schrieb vor, wer am Lagerfeuer an welchem Platz saß, und wer Wasser holte. Und in jener Zeit, vor der Ankunft der Weißen, hatten alle das Gesetz gekannt. Sie achteten die Regeln. Die Welt war geordnet. Das Chaos war gebannt. Jetzt verlor das Gesetz seine Macht, die Menschen vergaßen die alte Ordnung, und die Alten wie Ezekial wußten keine Antworten mehr auf die vielen Fragen.
    Ezekial hatte mit sich um eine Haltung gegenüber der weißen Frau auf Merinda gerungen. Er beobachtete sie, er fürchtete sie. Sie bedrückte und verwirrte ihn. Jetzt dachte er darüber nach, was Sarah über sie gesagt hatte. Er hatte gesehen, welche Macht Joanna besaß und ausübte. Sie rettete Menschen vor der Krankheit. Sie rettete sich und Hugh, den Ezekial achtete, bewunderte und als Freund ansah.
    »Warum singst du einen Liebes-Gesang?« fragte er.
    »Damit Joanna bleibt. Sie ist heute morgen gegangen. Hugh muß sie zurückholen.«
    Ezekial hob die Augenbrauen und blickte zum Himmel hinauf. Liebes-Gesänge waren Frauenmagie. Davon verstand er nichts. Vielleicht bewirkten sie etwas, vielleicht auch nicht. Er dachte kurz darüber nach, dann drehte er sich um und ging durch die Bäume in Richtung Straße. Liebes-Gesänge mochten stark sein, aber die Alten wußten, daß ein Zauber manchmal menschliches Eingreifen brauchte, damit er wirkte.
    2
    Hugh und Pauline gingen zwischen den Grabsteinen hindurch und legten Blumen unter die vertrauten Namen: Bill Lovell, David Ramsey und zahllose andere wie Cameron, McClintock und Dunn. Pauline blieb vor einem Stein mit der kurzen Inschrift »›Baby‹ Hamilton – 22 . Januar 1872 « stehen. Louisa war vom Typhus verschont geblieben, aber die Anstrengungen hatten zu einer Frühgeburt geführt. Als Pauline ein paar Blumen auf das kleine Grab legte, fragte sie sich, ob Louisa von Dr. Ramsey das Geheimnis der Empfängnisverhütung vor seinem Tod erfahren hatte.
    Pauline trug keine Trauerkleidung, wie so viele Frauen auf dem Friedhof, aber aus Rücksichtnahme auf andere ein graues, schwarz gesäumtes Kleid. Sie und ihr Bruder waren von der Epidemie zwar verschont worden, aber Frank, das wußte sie, hatte den Typhus in gewisser Hinsicht zu spüren bekommen: Miss Dearborn war verschwunden. Frank hatte tagelang vergeblich nach ihr gesucht und war zu dem Schluß gekommen, sie sei auch ein Opfer der Epidemie geworden. Inzwischen war er wieder in Melbourne. Er kümmerte sich um seine Zeitung und schob Arbeit, Zeit und räumliche Entfernung zwischen sich und die schmerzlichen Erinnerungen.
    Während Pauline an Hughs Arm

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