Traumzeit
zwischen den Gräbern entlangging und die durchdringende Kraft der Februarsonne spürte, die sie wie eine Reinigung empfand, hing sie ihren Gedanken nach: Wir müssen jetzt in die Zukunft blicken. Wir müssen die Tragödie hinter uns lassen und uns wieder dem Leben zuwenden. Aber über die Hochzeit, die in einem Monat sein sollte, hatten sie bis jetzt nicht mehr gesprochen.
Sie fächelte sich Luft zu. »Ach du meine Güte, ist es heiß heute. Ich hoffe, an der Hochzeit wird es nicht so heiß sein!«
»Pauline«, sagte Hugh.
Sie spürte, es war soweit. Schon seit Tagen hatte es sich angekündigt. Sie wollte es abwehren und daran hindern, Gestalt anzunehmen. »Verlassen wir diesen traurigen Ort, Liebling«, fügte sie schnell hinzu, »fahren wir in die Berge. Sie sehen so kühl und grün aus.«
»Pauline«, wiederholte Hugh, »wir müssen miteinander reden.«
Nun war es heraus, und sie mußte sich dem stellen, vor dem sie seit jenem Nachmittag davonlief, als sie nach Merinda gekommen war und Hugh im Rindenhaus bei Joanna angetroffen hatte.
»Sei nicht so ernst, Liebling«, sagte sie und lächelte ihn an. »Ich glaube, der traurige Friedhof hat dir die Laune verdorben. Komm, wir gehen in den Fox und Hounds Gasthof und trinken ein kaltes …«
»Pauline«, sagte er, »du weißt, ich bin dir gegenüber immer ehrlich gewesen. Und ich muß auch jetzt ehrlich zu dir sein. Es geht um Joanna Drury.«
»Bitte nicht«, sagte sie.
»Es wäre dir gegenüber nicht fair, unsere Ehe zu beginnen und dir die Wahrheit vorzuenthalten. Es wäre ehrlos und eine Schande angesichts der hohen Meinung, die ich von dir habe.«
Pauline erstarrte. »Du willst mir also sagen, daß du sie liebst.«
»Ja.«
Eisig richtete sie die blauen Augen auf ihn. »Und verstehe ich es richtig, daß du beabsichtigst, Adam auch weiterhin ihrer Fürsorge zu überlassen?«
»Nein. Das wäre uns allen gegenüber nicht fair. Joanna verläßt uns. Sie wird ihr eigenes Leben führen, so wie du und ich unser Leben führen müssen.«
»Warum mußt du mir dann etwas über deine Gefühle für sie sagen?«
»Weil es die Wahrheit ist, und weil du es ohnehin weißt. Ich kann nicht dein Mann werden in dem Bewußtsein, daß du und ich uns der Wahrheit nicht gestellt haben.«
Pauline preßte die Zähne zusammen. Dann sah sie ihn an und sagte: »Und was ist mit mir? Liebst du mich?«
Er wich ihrem Blick nicht aus – sie war so schön, so elegant. Aber er dachte an Joanna, daran, wie er sie geküßt hatte, und an die Leidenschaft, vor der sie beide so erschrocken waren. Er nahm Paulines Hände in seine und sagte: »Ich achte dich und ich bewundere dich, Pauline. Ich schätze dich über alles.«
»Aber du liebst mich nicht.«
»Ich mag dich sehr, Pauline.«
»Hugh!« sagte sie, »ich möchte, daß du mich liebst!«
Sie wandte sich von ihm ab. Warum war dieses kleine Geheimnis nicht unausgesprochen geblieben? Es wäre doch kein Schaden dadurch entstanden. Sie hätte weiterhin so tun können, als sei nichts gewesen, und vielleicht wäre es ihr mit der Zeit gelungen, zu glauben, daß er nur sie allein liebte. Vielleicht hätte er mit der Zeit nur sie geliebt.
Zorn stieg in ihr auf. Sie mußte wieder an Hugh und Joanna im Rindenhaus denken. Wie zärtlich er sie berührt, wie liebevoll er sie angesehen hatte. Pauline wollte Joanna zurufen: Geh! Du verdienst ihn nicht! Er steht dir nicht zu! Du hast ihn nicht schon mit vierzehn geliebt. Du hast ihm nicht als Sechzehnjährige die Arme um den Hals gelegt und ihn geküßt, als er den Großen Preis der Schafzüchter gewonnen hatte. Du hast nicht tagelang geweint, als du siebzehn warst, und man Hugh mit totenblassem Gesicht und blutigem Hemd nach einem Jagdunfall ins Haus brachte. Du hast nicht beim Pferderennen an der Bahn gestanden und voller Inbrunst darum gebetet, daß Hugh gewinnt. All das habe ich getan! Hugh gehört mir!
»Das hast du mir erzählt«, erklärte Pauline mit beherrschter Stimme, »weil du die Hochzeit absagen möchtest.«
»Nein, Pauline. Das ist nicht der Grund.«
»Aber das möchtest du, nicht wahr?«
»Nein. Außerdem geht es nicht darum, was ich will.«
»Mein Gott, Hugh, ich möchte keinen Märtyrer heiraten! Ich möchte nicht unter diesen Umständen deine Frau werden … nicht nur deshalb, weil du ein ehrenhafter Mann bist!«
»Pauline«, sagte er, »ich werde dir ein guter Mann sein. Du wirst bei mir ein gutes Leben haben. Ich werde dir immer treu sein. Das verspreche ich
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