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Traumzeit

Traumzeit

Titel: Traumzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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gekommen, wenn ich nicht hier geblieben wäre, fragte sie sich.
    Ihr wurde schwindlig. Sie hatte seit mehr als einem Tag nichts mehr gegessen. Sie blickte angestrengt die dunkle Straße entlang und versuchte, sich zu orientieren. Wie weit lag Merinda noch entfernt? Sie wußte, die Straße führte zuerst nach Süden und bog dann nach Norden. Das bedeutete zusätzliche Meilen, denen sie sich nicht gewachsen fühlte. Sie blickte auf die Weiden zu ihrer Linken, die im letzten Dämmerlicht lagen, und überlegte, wie lange es noch hell sein würde.
    Das Schwindelgefühl verstärkte sich. Sie fühlte sich schwach, und ihr verschwamm alles vor den Augen. Plötzlich fürchtete sie, wenn sie auf der Straße blieb, werde sie es vielleicht nicht bis Merinda schaffen. Die einzige Hoffnung, dachte sie, besteht darin, querfeldein über die Weiden direkt in Richtung Haus zu reiten.
    Sie gab dem Pferd die Sporen und galoppierte über das trockene Gras. Die Schnelligkeit tat ihr gut. Die Bewegung belebte und erfrischte. Sie dachte wieder an David und begann zu weinen.
    Schließlich sah sie die Lichter der Farm durch die Bäume schimmern. Sie trieb das Pferd noch mehr an.
    Als Joanna sich für die Abkürzung entschieden hatte, vergaß sie den Fluß, der ihr im Weg lag. Vor dem Pferd tauchte plötzlich das Wasser auf, und es stieg. Joanna war nicht darauf gefaßt. Sie verlor den Halt und flog aus dem Sattel. Sie stieß einen Schrei aus und fiel zu Boden.
    7
    Adam hatte Angst. Er hatte Ping-Li im Kochhaus geholfen, weil Sarah ihn aufgefordert hatte, dort zu bleiben, während sie heimlich einen Besuch in dem Aborigines-Missionsdorf machen wollte. Sie hatte ihm auch gesagt, er solle nicht in das Rindenhaus, weil Joanna schlafe und nicht gestört werden dürfe. Aber als Ping-Li sich auf seine Pritsche im Kochhaus gelegt hatte und eingeschlafen war, ging Adam zum Rindenhaus. Er fand Joanna nicht – niemand war da. Er lief ins Schlafhaus, aber ein Mann hatte ihm gesagt, er dürfe nicht bleiben, weil hier die Kranken lagen. Jetzt wurde es dunkel, und er war allein.
    Er wollte nicht allein sein. Er mußte wieder an damals denken, als er schon einmal allein gewesen war. Und er wollte nicht daran denken. Er würde
unter keinen Umständen
daran denken. Er ließ diese Gedanken nicht zu, wenn sie sich ihm aufdrängten oder wenn Joanna und Sarah ihn aufforderten, darüber zu sprechen. Er wollte nicht daran denken und nicht darüber sprechen. Doch jetzt hatte er Angst, und es war genau wie damals. Er war von draußen gekommen und hatte Mama merkwürdig blaß im Bett gefunden: Er hatte versucht, sie aufzuwecken. Aber sie wachte nicht auf. Er hatte es immer und immer wieder versucht. Er hatte sie gerufen, immer lauter gerufen. Seine Angst hatte sich in Panik verwandelt, als er erkannte, daß sie eingeschlafen war und nie wieder aufwachen würde … Adam sah sich auf dem stillen Hof um. Waren Sarah und Joanna vielleicht unten am Fluß? Aber als er den Wald erreichte, fand er niemanden dort. Seine Angst wuchs. Er war noch nie in der Dunkelheit hier gewesen.
    Dann sah er das Pferd auf der anderen Seite. Es war gesattelt, aber ohne Reiter. Er lief an einer schmalen, flachen Stelle über den Fluß, und als er eine Gestalt, eine Frau, auf der Erde liegen sah, war er wieder in dem Farmhaus und das Schreckliche ereignete sich von neuem. »Mama!« rief er außer sich und lief zu Joanna. »Mama, wach auf! Du darfst nicht schlafen! Mama, Mama!« Er zog an ihr, aber sie reagierte nicht.
    Er versuchte zu denken. Er sollte Hilfe holen. Er sollte laufen und jemanden holen. Aber er fürchtete sich so sehr. Er warf sich auf den Boden und schlug den Kopf gegen die Erde. »Nein, nein, nein!« schrie er und fühlte sich hilflos und gepeinigt. »Mama! Wach auf!« Er schlug die Hände vor das Gesicht und begann zu schluchzen. Er war ein schlechter Junge. Er konnte Mama nicht wecken. Er konnte sich nicht bewegen, und er konnte keine Hilfe holen. Er blieb einfach sitzen und weinte.
    Schließlich ließen die Tränen nach, und er sah Joanna wieder an. Ihre Augen waren geschlossen. Die Haare hatten sich gelöst.
    Plötzlich begriff er: Das ist nicht Mama.
    Er kniete neben ihr und sagte verwirrt:
    »Joanna? Joanna, wach auf. Bitte, wach auf.« Er schüttelte ihre Schultern. »Wach doch auf, Joanna.«
    Er erhob sich und sah sie an. Angst und Unsicherheit überfielen ihn. Er drehte sich um und sah die Lichter der Farm. Er warf wieder einen Blick auf Joanna. Er wollte sie nicht

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