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Traurige Therapeuten: Roman (German Edition)

Traurige Therapeuten: Roman (German Edition)

Titel: Traurige Therapeuten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingomar von Kieseritzky
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allergischen Zeichen im Gesicht, viele Schmerzen, er lebe jetzt entliebt und sehr zurückgezogen.
    Ich fragte, ob auch er an einer Latex-Allergie laboriere?
    Wo ich denn hindächte, fragte H. weinerlich, wozu er denn noch ein Präservativ brauche in seinem jämmerlichen Zustand?
    Da mochte er recht haben; da ich die Fragen vergessen hatte, die ich ihm stellen wollte, nahm ich meine halbe Flasche unter den Arm und wollte mich verabschieden.
    Geh noch nicht, sagte Hohensee, weißt du, was das Fatale ist an diesen Allergien? Es sind ja Mahnungen, die der Körper auf Störungen aussendet, und er wird recht haben, ich kann ihm da nicht widersprechen. Aber er habe das Gefühl, man müsse sich andere Allergien leisten, zum Beispiel auf idiotische Verhältnisse, Geschmacklosigkeiten oder grenzdebile Subjekte; wovor ich mich denn am meisten ekelte.
    Schwer zu sagen, sagte ich, heute früh sei ich aufgewacht, in der Nase den Geruch nach Zucker, Urin und verbrannter Leber.
    Wie es denn jetzt rieche, fragte H. aufmerksam.
    Nach Cortisonsalbe, Urin und verbrannter Leber, sagte ich wahrheitsgetreu, wie es meine Art ist. Man muss die Dinge so sehen, wie sie sind, das ist meine Meinung.
    Lass mal einen Leberstatus bei dir machen, sagte H. zum Abschied.
    So bald werde ich ihn nicht mehr besuchen; geistig stark depraviert, ist er im Gespräch nicht mehr ergiebig und – recht betrachtet, sind fremde Allergien auch nicht so besonders interessant.
    Zu Hause regenerierte ich mich notdürftig, schlief exzessiv und gedachte des Rats, mich Alltagssituationen auszusetzen, um die Ängste vor fremden Gerüchen, aggressiven Auren und den Co-Subjekten, die überall präsent sind, zu besiegen.
    3. Februar
    Ich muss mich dem Alltag aussetzen, Guth wird recht haben. Vielleicht kann man doch durch die direkte Beobachtung und Anschauung der Leiden anderer etwas lernen, vorausgesetzt, man erfreut sich der Bekanntschaft anderer Leidender, die da allergisch reagieren oder sich (mit einem düpierten Gewissen) herzlich ekeln und an ihrer Leidenskasuistik basteln, Gründe und Folgen, Ursachen und Wirkungen usw. –
    Albin aufsuchen. Litt noch vor zwei Jahren an einer stattlichen Hydrophobie; behauptet, seine Mutter habe ihn als Baby in kochendes Wasser getunkt.
    Vielleicht Pohl lohnenswert; litt unter rätselhaften Depressionen, an verwickelten inneren Qualen, die er niemandem mitteilen konnte, dabei ein guter Kunsthistoriker, Spezialist für die sog. Orientalisten des 18. und 19. Jahrhunderts. Vielleicht interessante Entwicklung.
    Oder Lobowitz, der Schulfreund, der schon im Kindergarten derart lärmempfindlich war, dass er in Tränen ausbrach, wenn man laut sprach. Wie wohl die Folgen einer solchen Hypersensiblität lebenstechnisch aussehen mögen?
    Mehr Fälle dieser Art habe ich nicht in petto; vielleicht wäre ein Besuch bei Sonja nützlich, die Katzenhaare nicht vertrug; eine Katzhaar-Allergie führt – außer den bekannten Symptomen – eigentlich zu nichts, und man könnte sich den Besuch ersparen, allerdings ist sie auf ihre Weise sehr hübsch, sollte sie die Katzen abgeschafft haben.
    Nach einer Büchse Thunfisch in Sonnenblumenöl und zwei Daiquiris – im Februar war der Rum dran, im Flachmann 20 cl Rum und Cointreau – war ich, so dachte ich, der Außenwelt gewachsen. Meine Ängste waren nahe am Einschlafen. Zu Lobowitz, dem Rumorphobiker, fuhr ich allerdings mit dem Taxi und hoffte, er leide nicht unter einer ansteckenden Krankheit.
    4. Februar
    Konnte an Lobowitz nichts studieren, was ich nicht schon gewusst hätte. Er litt an so gut wie gar nichts mehr, auch nicht unter dem Lärm, weil er vor zwei Jahren überfallen worden war, in der S-Bahn, und der Kerl ihm mit beiden Händen gleichzeitig Ohrfeigen, auf jedes Ohr je eine, also symmetrisch, mit aller Kraft verpasst hatte, so dass seine Trommelfelle beschädigt waren. Ab da, schrie L., war Ruhe im Karton.
    Hätte man, schrie ich zurück, nicht durch eine Operation –?
    Wozu, brüllte Lobowitz, der die Bewegungen meiner Lippen verfolgte, himmlische Ruhe; keine schwachsinnigen, groben Geräusche mehr, keine lästigen, hässlichen Stimmen, die an meinen Nerven schaben, im Fernsehen nur Bilder, auf ihre Weise auch blöd, aber wenigstens ruhig. Und wozu braucht man überhaupt Ohren, diese überflüssigen Organe?
    Das alles sprach er so laut, dass mir der Schädel dröhnte. Ich weiß nicht, aber im Kindergarten oder in der Schule, als er sich noch die Ohren zuhielt, um den Lärm-Zumutungen

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