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Traurige Therapeuten: Roman (German Edition)

Traurige Therapeuten: Roman (German Edition)

Titel: Traurige Therapeuten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingomar von Kieseritzky
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Bohnen der Firma Bonduelle aus der Dose, liebt aber am meisten unreife Früchte, wahrscheinlich eine Sache der Erziehung und nicht genetisch bedingt.
    Yvette, eine süße Jungfrau, hatte einen herrlichen Buckelschild, der unter der Glühbirne an der Decke glänzte, polierte ich sie doch jeden Abend mit Olivenöl, natürlich kalt gepresst, aus Apulien. Ich reichte meinen Gefährten auf einer großen Platte (Meißen, grüner Drache) Salat, frühe Nektarinen, unreife Pfirsiche und trockene Pflaumen, natürlich ungeschwefelt.
    Passow glotzte.
    Die beiden Reptilien fraßen manierlich; mit dezenten Geräuschen zermalmten sie ihr Nachtmahl.
    Es war eine schöne, paradiesische Stimmung irgendwie. Aber der Tod der Kakerlaken hatte mich mitgenommen; hoffentlich hatten sie noch ihre Eierpakete ablegen können während der Morde. Der Nachwuchs, vor allem der von Hammurabi, würde sich bald an mich gewöhnen, Abfälle gefälligster Art standen zur Verfügung in unserem nun gestörten Habitat.
    Die Schildkröten hatten ihre Mahlzeit beendet; Melmoth kaute mit schrägem Kopf liederlich an einem Salatblatt, da sagte Passow plötzlich, er habe Hunger, ob ich nicht eine Kleinigkeit zu essen im Kühlschrank hätte, ein paar Austern oder eine Büchse Kaviar, auch der deutsche Kaviar sei ihm recht.
    Ein schmutziger Mond im Segment 12 des Atelierfensters erschien.
    Die Schildkröten, sagte Passow, sähen untherapiert und traurig aus.
    Sie sehnten sich, erwiderte ich, nach dem Meer und dem freien Himmel.
    Einstmals, sagte Passow wehmütig, warst du der positivste Mensch, den ich je kennenlernte. Bevor ich an die Analyse deines Textes gehe … gemäß meinem Fragekatalog, muss ich dir eine Bitte vortragen …
    Fasse dich kurz, sagte ich.
    Gern, sagte Passow, du weißt doch, dass ich mit einer Deutschrussin verlobt bin, einer schönen, nicht mehr ganz jungen Dame namens Olga –
    Soso, sagte ich, ja doch. Gratuliere.
    Innige Liebe, viel Sex, aber mit Kondom; da sei jedoch ein Punkt … eine kleine Misshelligkeit: Sie liebt Hunde.
    Ich belehrte ihn darüber, dass die meisten Menschen eine Schwäche für Hunde hegten.
    Ja, furchtbar, sagte er. Es sei nun so, dass der Hund, ein Mischling so zwischen Jack Russell und Schweizer Sennhund, im Doppelbett schliefe und sich auch an ihren Mahlzeiten beteiligte.
    Wenn der Hund keine Flöhe habe, sagte ich, sei das in Ordnung.
    Passow schwieg.
    Ich habe eine Abneigung gegen die Probleme fremder Leute.
    Der Mond schien in einem anderen Quadranten; im alten Kanonenofen inmitten meiner südlichen Vegetation hinter den Bücherkartons fing die Zikade Lehmann an zu musizieren.
    Ich sehnte mich nach meinem einsamen Bett und der Lektüre der Erzählungen von James Thurber, der Hunde geliebt hatte. Ich war unaufmerksam.
    Wiederhole bitte, sagte ich, deinen letzten Satz.
    Lass mich, sagte Passow, eine Woche in deinem Gastzimmer wohnen, damit ich Distanz zu Olga und Anton … Das passende Verb fiel ihm nicht ein.
    Ich habe kein Gastzimmer, sagte ich.
    Ich zahle Miete, sagte Passow, ich lese dir vor, ich koche, ich putze, ich kaufe ein, ich räume auf; er sei, wie ich aus alten Zeiten wisse, zuverlässig und fleißig – Erinnere dich, rief er, der goldenen Zeiten unserer Jugend… Entsinne dich deiner Positivität, deiner Güte, kurz – habe Mitleid!
    Ich dachte an meine Kakerlaken und an eine Sentenz Schopenhauers: Thiere – bewusste Wesen, welche diese rätselhafte Existenz mit uns theilen.
    Ich sagte ernst, ich könne ihm nicht aus der Klemme helfen, er möge in ein Hotel ziehen, der Kastanienhof sei ein ganz entzückendes Domizil.
    Passow erwiderte noch ernster, früher sei ich der positivste und hilfreichste Mensch der Welt gewesen.
    Das sei lange her, sagte ich recht kühl, aber jetzt – seit langem der Status Präsens – sei ich deprimiert und müsse meine Phobien so pflegen wie meine Tiere.
    Wie viele es genau seien?

 
    25 Ich glaube, Epiktet sagte einmal, man müsse in einer jeden Lage daran denken, was Sokrates getan hätte. Das hat viel für sich.
    Meine Rachegedanken nährten sich regsam.
    Im Kühlschrank schlummerte seit Tagen ein Eiersalat mit Avocadofleisch und Bambussprossen, den die Schildkröten verschmäht hatten; das wäre, später, wenn die Zeit reif wäre, ein kleiner Nacht-Imbiss für meinen Gast.
    Leider wusste ich nicht genau, wie viele Bakterien notwendig waren, um ihn lahmzulegen; später las ich nach, dass die üblichen Salmonellen erst bei ca. 100.000 Keimen virulent werden, bei

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