Traurige Therapeuten: Roman (German Edition)
erinnerte mich vage an diese Affäre. Wie endete diese Geschichte?, fragte ich, gute Finale kann man immer wieder hören.
Eines Tages sagte sie zu mir, Eugen, ich kenne deinen Hass auf meine Hunde – es handelte sich um eine Gruppe Schweizer Sennhunde aus einer Engadiner Zucht –, ich müsse mich entscheiden.
Ich entschied mich und sagte: Geliebte Lenore – ich oder die Hunde. Die Hunde obsiegten. Gruppendynamisch gesehen, wäre es auf die Dauer in die Binsen gegangen. Sennhunde haben ein starkes Gruppensensorium; einer muss der Alphahund sein, ich war es nicht. Danach schrieb ich in meinem Liebeskummer einen Liebesroman, in dem der Held –
Bitte keine Inhaltsangabe, sagte ich, iss lieber deinen Eiersalat.
Ich will deine baltische Gastfreundschaft nicht strapazieren, sagte Passow, ich bot das Manuskript dann (mein Gott, ist das lange her) Zsolnay an, der mit einem Formbrief ablehnte, der Roman sei nicht auf der Höhe der Zeit.
Ich habe leider vergessen, was nach der Hunde-Geschichte folgte; es kann der Bericht über eine neue Affäre ohne Hund gewesen sein oder eine mit lästigen Katzen; in jedem Fall, das weiß ich positiv, fragte Passow nach der Figur Finriß, dem großen Diagnostiker, meinem einzigen Idol, von dem ich so viel übernommen habe. Vor allem die Idee, sagte ich leicht belebt (mit Blick auf den verdammten Eiersalat), dass der Ausfall der Funktionstüchtigkeit in der Form einer Allergie ein Zeichen elementarer geistiger Gesundheit sei – ich wollte fortfahren, da fragte P., ob ich nicht ein Mittel gegen Sodbrennen in der Hausapotheke besäße.
Ich ging ins Bad, überließ Passow seinen intestinalen Beschwerden und mixte ein Glas mit essigsaurem Natron.
Das Sodbrennen kümmerte sich nicht um die Gabe.
27 Wie Tournier einmal in der anregenden Zeitschrift Mind 1978 schrieb, ist die Kunst der Vorausschau ein untrügliches Zeichen für intelligentes Verhalten. An diesem lapsusreichen Abend (der allmählich in die Nacht überging) ging so gut wie alles schief, weil ich falsch kalkuliert hatte. Aber immer der Reihe nach, Zug um Zug.
Ich hatte mir den endlichen Abgang von Passow einfacher vorgestellt – Übelkeit infolge einer Attacke von Salmonellen oder anderen immer rührigen Keimen, vielleicht Coli oder ein effizienteres Agens: P. wird unwohl, Arthur ruft Notarzt, endlich wieder Ruhe im Karton, will sagen auf meinem Dachboden … Aber er saß immer noch im Edwardschen Ohrensessel, stöhnte und presste unter Wehlauten mit der rechten Hand seinen Bauch; keine sehr reichhaltige Symptomatologie, wie man weiß. Ich fragte vorsorglich, ob ihm übel sei.
Die Antwort war überaus positiv.
Aber ja, und wie!
Ich sagte, ich wolle ihm ein Taxi rufen und sogar bezahlen, trotz meines pekuniären Engpasses.
Nein, danke, sagte Passow und stöhnte. Er schwitzte stark, und Schweiß ist immer ein gutes Zeichen und kann alles Mögliche bedeuten.
Plötzlich fing mein Patient an, stilisiert zu würgen.
Das ist, dachte ich arglos, sehr positiv; hätte er sich erleichtert, könnte er, des giftigen Ballastes ledig, erfrischt in sein Taxi steigen, und ich wäre endlich allein.
Auf dem Schreibtisch im Dormitorium wartete seit Stunden meine Arbeit, vorerst ein Konvolut Über die Theorie und Praxis des Winterschlafs , der mir schon immer viel bedeutet hatte. Großvater Edward nahm seinen Winterschlaf ab 1891 – (ein trübes Jahr insgesamt, was die Fakten betrifft: Gontscharow, mein russischer Lieblingsschriftsteller, stirbt, Maupassant wird wahnsinnig, nachdem er in zehn Jahren – wie mein altes Lexikon treuherzig angibt – 300 Novellen geschrieben hatte. Wer würde da wohl nicht wahnsinnig) – ein jedes Jahr am 15. Dezember, um dem unerträglichen Weihnachtsfest zu entgehen. Mir persönlich war ein wahrer Winterschlaf bislang noch nicht gelungen; der Tag wird kommen, wie John Wayne in Rio Bravo zu Robert Mitchum sagt.
Es ist ein untrügliches Zeichen früher Demenz oder der Präsenilität, dass ich nicht bedacht hatte, wie unzuverlässig der Transfer von Bakterien ist, mag der Eiersalat noch so verseucht sein; und noch ein Denkfehler verfolgte mich damals. Ich hatte nicht korrekt berechnet, dass Passow a) Resistenzen entwickelt haben könnte und b) der Eiersalat nicht kontaminiert war. Lapsus nach Lapsus.
Ich bat ihn, sich männlich zu erleichtern, ob ihm ein Eimer recht sei. Er würgte stumm und sagte, er halte es schon noch aus, es gehe bald vorüber.
Da schöpften wir Hoffnung.
Als der liebe
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