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Traurige Therapeuten: Roman (German Edition)

Traurige Therapeuten: Roman (German Edition)

Titel: Traurige Therapeuten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingomar von Kieseritzky
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Entscheidungen pflege ich dieses von ernsten Vorhaltungen strotzende Billet zu lesen, Labsal und Trost zugleich. Ich mixte für Passow meinen Ultimativen Cocktail.

29 Der Singramsche UC in seiner magischen Zusammensetzung ist stark, wohlschmeckend und identitätsstiftend; man verträgt ihn, oder man verträgt ihn nicht, tertium non datur.
    In meinen besten Zeiten wurden viele Patienten von ihren diffusen Leiden damit kuriert. Einmal sogar eine griesgrämige Dogge, deren Gemüt durch ungute Erlebnisse in Kindheit oder Adoleszenz verdüstert war; diese Dogge (sie hieß Hilda) biss wahllos Damen und Herren in den Hintern, verschmähte aber Kinder und andere Hunde.
    In meinem Lieblingsmixer aus Titan dosierte ich in Maßen Eierlikör, Maggi und Cayenne-Pfeffer, füllte mit Strohrum (Inländer, 80 %) kräftig auf und krönte die Kreation mit einem Tröpfchen Angostura.
    Passow saß immer noch im Ohrensessel, als habe er sich für die Ewigkeit eingerichtet; die Sache musste ein Ende haben. Ich reichte ihm die Mixtur in einem hohen Weißbierglas.
    Trink, sagte ich, und du wirst gesund.
    Was ist das?, fragte Passow.
    Ich sagte, es handele sich um ein die Schleimhäute purifizierendes Mittel von milder Kraft und elementarer Wirkung.
    Nun gab es zwei Optionen. Entweder schwanden ihm die Sinne, und ich konnte endlich den Notarzt kommen und P. entfernen lassen – oder er genas spontan, dann sollte er stante pede verschwinden.
    Auf die Dogge Hilda hatte mein Mix eine vorzügliche, positive Wirkung gehabt; nach der Applikation nicht ohne Gewalt sprang das Riesentier mit allen vier Pfoten in die Luft, keuchte und spuckte ein bisschen, war aber ab dato von sanfter Wesensart, wie es in der psychopopulären Literatur heißt.
    Passow stürzte das Zeug mit einem guten Zug, auch er keuchte, die Augen quollen ihm aus den bleichen Höhlen, und als er ohnmächtig im Sessel hing, rief ich den Notarzt.
    Nun, dachte ich erleichtert, würden sich kompetentere Leute als ich um den Patienten kümmern.
    Während ich wartete, lag Passow in gefälliger Pose – räudiger Löwe, schlummernd in der Manier von Kobell –, die Tatzen auf dem Bauch und mit leicht geöffnetem Mund, aus dem seine belegte Zunge hing. Ein friedfertiges Bild.
    Ein schmutziger Mond wanderte zwischen weißen Wölkchen; meine Mitbewohner schliefen, leider und für alle Ewigkeit auch meine Kakerlaken. Durch P.s Mord an den geselligen Insekten war der Tod in mein Domizil gezogen.
    In seiner Brieftasche fand ich eine Visitenkarte –
Eugen Passow, Trauerbegleiter.

 
    30 Ich versüßte mir die Wartezeit mit der Lektüre von Prentice Mulford ( Der Unfug des Sterbens ) mit dem Kapitel Positive und Negative Gedanken und fand wie schon oft nur wenig Trost.
    «Wir geben oder empfangen unaufhörlich geistige Elemente, wir sind wie eine elektrische Batterie, die Kraft entsendet und dann frisch gespeist werden muss.»
    Auch ich wollte frisch gespeist werden; mein Schädel brummte vor negativen Gedanken und Impulsen in unüberschaubarer Menge.
    Dann erschien, ich ziehe meine Notizen zu rate, eine Dame, SIE, will sagen, es klingelte kurz, und ich öffnete die Tür, aber statt eines athletischen Doc, der meinen Gast mühelos würde abschleppen können, trat Frau Dr. Beatrice Margoti ein, eine zierliche Schönheit mit braunen Augen.
    Und wo, fragte sie, ist der Patient?
    Ich zeigte stumm auf Passow.
    Mein Faible für schöne, kleine und brünette Frauen mit braunen Augen gehörte von jeher in den Tresor der vergeblichen Begierden; sie waren nach meinen Erfahrungen arrogant, unnahbar und gegenüber leptosomen Zwergen nicht sehr aufgeschlossen, um mich vorsichtig auszudrücken.
    Sie inspizierte mit kritischen Augenbrauen und leicht gerümpfter Nase (sehr aquilin wie bei einer venezianischen Prinzessin) das Tableau, also die fünf leeren Flaschen auf dem Messingtisch, das geleerte Weißbierglas mit dem Rest des trüben Spezialelixiers, an dem sie sehr kurz schnupperte; – ich hatte den Eindruck, sie flehmte wie eine Katze, die sich ekelt, ja sie roch sogar an Passows offenem Mund und warf mir einen scharfen Blick zu.
    Dann entspann sich die folgende kurze Unterhaltung, eine Art Pingpong-Spiel mit Miniaturbällen.
    Alkohol-Abusus, sagte sie.
    Salmonellenvergiftung, sagte ich.
    Ach was, sagte sie, Abusus, absolut klar.
    Botulismus, sagte ich.
    Blödsinn, sagte sie voller Energie.
    Verdorbener Eiersalat, sagte ich verzweifelt.
    Sie drückte mit dem rechten Zeigefinger in Passows Sonnengeflecht,

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