Traurige Therapeuten: Roman (German Edition)
Wirkung?
Nein, sagte ich wahrheitsgemäß, nicht die geringste.
Dann helfe nur eine Dosis kombinatorischer Konzentrate, sagte Bach. Er mixte aus den sieben Elementen unter dem Rubrum Niedergeschlagenheit oder Verzweifelung crap apple, elam, larch, oak, pine, Star of Bethlehem, sweet chestnut und willow, das ganze Zeug wächst am Ufer des Flusses hinter seinem Haus.
Verbesserung des Zustandes, fragte Bach am nächsten Vormittag.
Nein, keine, sagte ich.
Das liege daran, sagte der Doc streng, dass ich nicht an die Blüten glaubte, und glauben müsse man.
Zeit, das Kapitel mit den Bachschen Blütenträumen abzuschließen.
Kurz vor Abreise, Regen unerträglich. Das Bild – Porträt eines englischen Landarztes – steht in meinem kleinen Atelier, das nur durch eine Doppeltür (natürlich verschlossen) von dem Ordinationszimmer getrennt ist.
Beim Reinigen der Pinsel hörte ich die folgende Unterhaltung des guten Doc mit einer jungen Dame namens Jane Baxter. Sie leide unter ihrer Reizlosigkeit allgemein, leider auch an einem Knochenhöcker auf dem Nasensattel – sehen Sie, Doctor Bach, drei Verlobungen erlitten Schiffbruch … So gehe es nicht weiter, help me, please, Doctor.
Ich weiß nicht, ob Bach jemals irgendwelche Zweifel an diesem intuitiv erfundenen Blüten-Mix hatte; in diesem Fall hätte er sie hegen müssen, denn der jungen Dame wäre nur mit einer mutigen Amputation zu helfen gewesen.
Aber Bach sagte in grenzenloser Überschätzung seiner geliebten Konzentrate: der Höcker, freilich unschön, sei lediglich ein vorübergehendes Phänomen, das infolge von Stress entstanden sei – geplatzte Verlobungen … vergebliche Hoffnungen, tragische seelische Stimmungen, Herzklopfen, kurz Stress auf der ganzen Linie. Er verabreichte dem Knochenhöcker (beeindruckend, wie ich durch die Jalousie sah) eine Flasche Rescue-Tropfen korrespondierend mit einem Antistress-Konzentrat Gelbe Weide (willow). In zwei Tagen sind Ihre seelischen Kräfte wieder regeneriert.
Sie ist, sagte er befriedigt zu mir, ein schönes Kind … der Mund ist schön, ihre Augen haben Glanz. Es ist nur ein ganz kleiner Höcker. Zum Abschied sagte er: Liebes Fräulein Baxter … bald werden Sie Ihre innere Schönheit wiedergefunden haben … Ihr Teint wird sich rosig färben, Ihre Lippen werden schwellen und Ihre Wangen sich färben … es liegt alles nur an Ihrem mangelhaften Selbstwert-Gefühl.
Nach zwei Tagen erschien die junge Baxter – ich fertigte gerade mit Rötelstift die Zeichnung eines schneeweißen Kätzchens an –, und ihr Tonfall war ruhig und absolut stresslos.
Dr. Bach, sagte sie, ich habe Ihr Rescue-Zeug genommen, wie Sie sehen, hat es weder genützt noch geschadet, mehr kann man von einem Medikament nicht verlangen. Sie sind ein Scharlatan.
Dann hörte ich den Doc schreien, und die Patientin verließ ohne Eile den Ordinationsraum.
Der Doc lag gekrümmt auf dem hellen Linoleum, stöhnte und machte einen ungünstigen Eindruck.
Mit dem rechten Knie, sagte er, genau in die Testikel.
Gegen diesen Stress trank er drei kleine Flaschen Rescue drops (Erste Hilfe) mit dem patentierten Verschluss aus rosigen Brustwarzen, gegen die Schmerzen in den Genitalien schluckte er zwei Tabletten Aspirin mit Wasser; er war ein durchaus pragmatischer Mann.
Mein lieber Doktor, sagte ich, die Blüten-Therapien mögen für banale Fälle leichter psychischer Desorientierung gut sein, aber nicht für Nasenhöcker auf jungen Frauen.
Die kleine Baxter, sagte Bach milde, tanze wie ein Korken auf dem unersättlichen Meer der Hormone.
Sie sollten ganz andere Krankheitsbilder erfinden, sagte ich. Ein Dr. Seeliger aus Berlin habe mit dem Besitzer einer pharmazeutischen Fabrik fusioniert – der Mediziner erfinde mit viel Elan und Phantasie neue Krankheiten, der Fabrikant die Medikamente gegen die Krankheiten; es lag in der Natur der Sache, dass der Chemiker ein neues Medikament erfand, für das es noch keine Krankheit gab, da musste sich der Mediziner sputen. Bach bat um ein Beispiel.
Gern, sagte ich. Im Augenblick, will sagen vor drei Monaten, glaubte Dr. Seeliger eine Erkrankung in der Adoleszenz diagnostizieren zu können – die Dementia praecox; er sagte sich, wenn es eine Ejaculatio praecox gibt, dann gibt es auch Ausflüsse jugendlichen Schwachsinns … Die Chemiker forschen intensiv an einem Präparat gegen diese Möglichkeit – Dementia praecox juvinilis, über die der Dr. Seeliger einen gelehrten Artikel in einer medizinischen Wochenzeitung veröffentlicht hat.
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