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Traurige Therapeuten: Roman (German Edition)

Traurige Therapeuten: Roman (German Edition)

Titel: Traurige Therapeuten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingomar von Kieseritzky
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Gedanken, der mir einmal nach einem von außen unterbrochenen Teilwinterschlaf in der Phase des Halbschlafes kam – ich habe einen opponierbaren Daumen, das ist ein Wunder. Das wollte ich nicht sagen, vielmehr … ja – mein Grundgefühl ist die fixe Idee, will sagen, die kryptische Erkenntnis – wenn es sich um eine handelt –, dass ich ein Toter zu Lebzeiten bin. Man muss nur die Indizien geläufig zu lesen lernen, die den Prozess des Sterbens zu Lebzeiten deuten, also Zeichen und Symbole, verstehen Sie mich, mache ich mich vollständig verständlich, liebe Bea?
    Vollständigkeit, das ist der Begriff im folgenden Zusammenhang – Max Singram malte bis zu seinem Tod – eine gnädige Altersdemenz, die er in Treue fest mit meiner Mutter Helene teilte – sie begrüßten sich jeden Morgen, als hätten sie sich gerade erst kennengelernt – wo war ich, Moment, ja das Bild – mein Pa malte an einem Riesenschinken mit dem Titel Die Arche Noah schifft sich ein oder sticht in See im Format 3 m × 4 m in Öl, er arbeitete an diesem letzten Bild 12 Jahre – bis ihm die Demenz den Pinsel nahm.
    Als es mir gut ging als Verhaltenstherapeut und Tierheilpraktiker mit Diplom, habe ich mir einmal die Mühe gemacht, die Tiere zu zählen, die da wimmeln – vom Adler bis zum Zimtkopfbreitschnabel –, es sind, alle en minature, fast 150 Tiere, inklusive der Insekten und der Amphibien, der Vögel und der Quadrupeden – was ich sagen wollte, war eigentlich dies, Pardon.
    Ich lebe wie ein sensorisch und cerebral amputierter Idiot. Natürlich regte sich selbst bei mir mitunter der Wunsch nach einer General-Veränderung, aber wie Sie wissen, ist das selbstinduzierte Münchhausen-Dilemma schwer ohne gewaltige Willenskräfte zu lösen, was mich zu einem anderen Lemma befördert – das ist die Mutlosigkeit, die wir als letzten Punkt abhaken. In der Arbeit liegt ja, wird behauptet, ein gewisses erlösendes Heil.
    Sie sehen meine Arbeiten in jenen schwarzen Mappen auf dem Schreibtisch, liebe Bea.
    Frau Dr. Margoti schwieg.
    Freund Passow schnarchte arhythmisch, sonst friedsame Stille der Nacht.
    Es sind dies, sagte ich schnell, als fürchtete ich, unterbrochen zu werden, drei Arbeiten –
    Das Tagebuch, nun schon seit Wochen vernachlässigt – ab heute werde ich wieder regelmäßig meine Notate anfertigen, ich verspreche es, liebe Bea; dann ist da ein Essay über Die Letzten Tage Tolstojs ; und eine Arbeit, ein Projekt, ein ganz und gar unauslotbares, niemals vollständiges Werk, geschrieben mit Herzblut – Geschichte des Schwachsinns , das mein Leben seit nunmehr dreißig Jahren begleitet. Die Fülle des Stoffs ist so ungeheuerlich, dass mich schwindelt, wie Sie sich vorstellen können, aber sie muss erledigt werden, auch wenn das gesetzte Thema absolut unerschöpflich ist.
    Wer wird diese Arbeit erledigen, wenn ich den Löffel, will sagen, wenn ich nicht mehr hienieden …
    Der Fülle des Stoffs im enzyklopädischen Sinne zu genügen müsste man die Lemmata durch eine alphabetische Ordnung systematisieren.
    Dann verließen mich alle Gedanken in einmütiger Flucht. Ich war groggy.
    Liebe Frau Dr. Bea, sagte ich, wäre es nicht so spät, ich zeigte Ihnen gern die Sammlungen. Ein Blick auf das Arche-Noah-Bild wäre ein Genuss für eine schöne Notärztin, und die Nöte sind groß. Ich könnte Sie auch mit den Schildkröten bekannt machen, sie sind wundervoll und voller Weisheit. Mein Großvater Edward sprach mit ihnen … er verstand die Sprache der Tiere, so steht es jedenfalls in seinem Diary Nummer 14, als er von einer Reise durch den Kongo nach England zurückkehrte. Er hatte mit einer sterbenden Hyäne einen Kontakt, den kommunikativ zu nennen nicht ganz falsch wäre – das wollte ich nicht sagen, Pardon.
    Mein Gott, es ist spät – mögen Sie noch ein Glas Wein, ich habe Sie allzu lang belästigt …
    Da musste ich entdecken, und es war eine für mich traurige Entdeckung, dass Frau Dr. Beatrice Margoti längst eingeschlafen war; sanft hob und senkte sich der schöne Busen in ihrem Schlummer.
    Als Passow im Traum stark hustete, wachte Bea auf, seufzte tief, gähnte dezent hinter ihrer kleinen, ringlosen Hand und sagte, sie müsse wohl eingeschlafen sein.
    Verdienter Schlaf, sagte ich, ich hoffte, sie nicht gestört zu haben.
    Der Abschied war kurz und schmerzvoll. An der Wohnungstür küsste ich kurz ihren rechten Handrücken (Chloroform- und Mitsoukoduft). Dann war sie fort und weg.
    Ich legte ein heißes Ohr an die Tür und

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