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Traurige Therapeuten: Roman (German Edition)

Traurige Therapeuten: Roman (German Edition)

Titel: Traurige Therapeuten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingomar von Kieseritzky
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Auswurf, schloss sodann die Augen und seufzte.
Ich bat Stache um eine Diagnose.
Der Affe habe etwas Falsches gefressen, sagte Stache.
Lungenentzündung, sagte unser Herr Mauser.
Abhören, sagte ich, aber nicht mit dem Stethoskop.
Jenkins fürchtete medizinische Instrumente; sah er eine Injektionsspritze, bellte und schnalzte er hysterisch mit den Lippen. Als der schöne Hausarzt – Modearzt einst in Paris – ein Ohr vorsichtig auf Jenkins’ Brustbein legte, ergriff der Moribunde mit der rechten Pfote das linke Ohr des Arztes und drehte es entgegen dem Uhrzeiger-Sinn; das war der erste Unfall. Stache klagte dezent – er weiß, dass ich Wehleidigkeit hasse – und zog sich ans Bettende zurück.
Ich befahl Mauser ans Totenlager.
Man sollte ihn vorher sedieren, sagte Mauser.
Bald ist Jenkins für immer sediert, sagte ich, ich will genau wissen, woran das Tier eingeht.
Die Cheyne-Stokes-Atmung habe noch nicht eingesetzt, sagte Mauser majestätisch, Jenkins könne es bestimmt noch ein oder zwei Stündchen hienieden aushalten.
Der schöngeistige Strehlow, der liebe baltische Baron, auch einer meiner Parasiten, aber von der liebenswürdigen Sorte, hatte die Idee –, man möge Jenkins doch einfach von seinem präagonalen Zustand ablenken und ihm heitere Zerstreuung bieten.
Ich fand die Idee gut.
Welcher Art?, fragte ich.
Wein, Weib und Gesang gewissermaßen, sagte der weltläufige Freund.
Ich klingelte nach Johnson, der nach kurzer Zeit das Sterbezimmer betrat, sauertöpfisch wie immer, weil er die Gicht hat; kleine Aufträge übernimmt er gern, trägt aber nichts mehr.
In die Küche, Johnson, sagte ich, Order: Bananen, Kaviar, Stilton, Eierlikör. Nehmen Sie Strehlow mit.
Man muss die Leute beschäftigen.
Ja, Sir, sagte Johnson und trabte ab mit Strehlow.
Goldene Zeiten damals, als wir noch Vorräte hatten, sogar Kaviar und Eierlikör …
Post festum (nach der überaus würdigen, ja in Momenten erhabenen Trauerfeierlichkeit für den seligen Jenkins) war die Idee meines Freundes Strehlow weniger brillant, als man hätte annehmen können; als Butler war Jenkins vollkommen, als Pavian verriet er niemals seine unberechenbare Natur.
Nun gut; auf einem Teewagen rollte Strehlow das opulente Sterbe-Mahl an die Bettstatt mit Messingpfosten.
Ruhig und mit geschlossenen Augen lag Jenkins in der Pose ‹Schlafender Krieger vor der letzten Schlacht› – ein mir liebes Bild des Militärmalers Adams jun.
Jenkins, sagte ich, mein bester Moribunder, mach die Augen auf und genieße!
Jenkins öffnete seine kleinen, leicht blutunterlaufenen Augen und fixierte den Teetisch mit den finalen Preziosen, dann schnäuzte er sich mit zwei Fingern seine fiebertrockene Nase – hatte er noch nie gemacht – und schleuderte den Rotz mit aller Kraft in Strehlows Gesicht. Johnson reichte ihm ohne ein Wort eine Serviette, die er über dem Arm trug. Mehr als das Gewicht einer Damastserviette (Damast hatten wir damals noch, man denke!) war ihm nicht zumutbar.
Erbarmung, sagte der Baron, wie scheußlich und widerlich. Ging dann beiseite. Empfindliche Leute, diese herabgekommenen baltischen Adeligen. Rotz von einem Sterbenden!
Sah an den Nüstern, dass ihm die Mahlzeit gefiel.
Jenkins belebte sich.
Das Tableau auf dem Teewagen sah sehr ordentlich aus – diverse Teller, die Flasche Eierlikör war geöffnet, eine Glasschale mit Kaviar (Beluga, ach!) ruhte zwischen den Schenkeln fetter Bananen. Leider ließ Jenkins alle Manieren fahren. Zu Lebzeiten ein aggressiver Kavalier, vergaß er in diesem Zustand alles, was er je gelernt hatte. Kluge Affen lernen leicht.
Der Zoologe Tafton hatte 1892 einem goldgelben Löwenäffchen mithilfe von Abbildungen die Technik der Fellatio beigebracht; Helen hieß diese entzückende Kreatur, und wie er erzählte, verrichtete Helen diese Arbeit freudig, ohne zu murren, wenn Eierlikör im Spiel war.
(Die Küstenwälder Südostbrasiliens gewöhnt, fühlten sich meine Löwenäffchen nicht wohl und gingen im englischen Nebel dahin.)
Ich notiere mit Kummer, dass sich Jenkins schlecht benahm … Vielleicht hatte er meinen Menschenzoo allzu scharf beobachtet; aber man sollte nicht ohne Not anthropomorphisieren, das ist nur in wenigen Fällen erlaubt.
Jenkins goss den Eierlikör in eine Glasschale (Wiener Werkstätten, ein Unikat von Kothgasser 1852; eine Blechschüssel wäre besser gewesen…), kippte den Kaviar in die gelbe Masse, rührte mit einer ungeschälten Banane und mit einem Zeigefinger alles um und um und fraß dann mit

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