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Traurige Therapeuten: Roman (German Edition)

Traurige Therapeuten: Roman (German Edition)

Titel: Traurige Therapeuten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingomar von Kieseritzky
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ohnehin nicht mehr. Schickte den faulen Malmot wieder auf sein Zimmer, wo er Mäuse mit Äther ins Jenseits schickte und dann sezierte – ein Hobby.
Notiz: Muss abgeschafft werden; die Bücher werden schon für sich selbst sorgen. Abgang Malmot.
Inzwischen hatte Strehlow in einer seiner Schubladen im Oberstübchen etwas Neues entdeckt und legte es auf den Tisch –
«Wir verstehen das Leben nicht:
Wie können wir den Tod verstehen?»
Na ja, das war ganz hübsch für einen Grabstein, aber es passte verdammt nicht zu Jenkins.
Wenn einer was vom Leben verstand, dann war es mein Partner Jenkins. Ich wurde allmählich ungeduldig.
Von wem war die Sentenz?
Wenn ich mich nicht irre, sagte der Baron, stammt der Satz von Konfuzius.
Ein Sprücheklopfer, dieser Konfuzius!
Mir fiel ein, dass der Baron ein Goethe-Liebhaber ist. Goethe!, sagte ich, graben Sie mal in Ihrem Goethe, Strehlow, vielleicht werden Sie fündig.
Bei Goethe werde man immer fündig, sagte der Baron, aber kurze, für ein Epitaph taugliche Sätze werde man nur schwer bei ihm finden.
Geben Sie sich Mühe, sagte ich – Sie zapfen Goethe an, ich mache mich an den Entwurf für die Totenrede.
Arbeitsteilung ist eine gute Sache; wir machten uns dran. Der Baron schleppte irgendeine Gesamtausgabe des Weimaraners heran (übrigens – schöne Hunde, hätte gern einen gehabt, sind aber zu teuer – außerdem sterben sie allzu früh, das macht Kummer – keine Hunde mehr!) und grub den Faust um, fand aber in einem anderen Band den Satz, den er nach einem Brandy zum Besten gab –
«Und doch ist nie der Tod ein ganz willkommener Gast.»
Da sagte ich ruhig, wie es meiner Temperiertheit entspricht – Strehlow, lassen Sie Ihren Goethe in seiner Gruft; tragen Sie ihn dahin zurück, woher Sie ihn hatten, holen Sie sich Schopenhauer und Nietzsche, werden Sie gefälligst sehr schnell fündig, und lassen Sie ab vom Brandy.

 
    44 Großvater Edward hatte recht, fand ich; Goethe ist mitunter doch recht mittelmäßig, falls das Zitat nicht von Freund Strehlow erfunden war; man kommt ja zu vielen Inventionen, wenn Dämon Alkohol die Muse peitscht, auch ich kannte Zeiten, in denen – aber lassen wir dieses allzu ergiebige Thema.
    Nach der halben Flasche Wein, ein überaus süffiger Montrachet, brauchte ich Schweizer Sauerstoff, Bergluft eben; ich ging die langen Gänge entlang über die Treppe durch die Zwingli-Halle und gelangte in die Gartenanlage des Sanatoriums.
    Leider war es dunkel, ein Halbmond jagte durch Lämmchenwolken; die Natur ist manchmal angenehm, dann verlor ich den Weg, tappte in irgendwelche Rabatten und Beete mit harten Zweigen unbekannter Sträucher, stolperte über eine Vase inmitten des abschüssigen Rasens, der an einem Teich endete – gottlob rechtzeitig bemerkt. Als Nichtschwimmer floh ich zurück in Richtung Haus, rettete mich auf die Terrasse und störte eine kleine Eule, die stumm auf dem Schädel eines steinernen Putto saß und mich mit schiefem Kopf fixierte, ehe sie mit einem ziemlich verächtlichen Hu! ihren Abflug machte.
    Ich bin mir sicher, dass sie Puh sagte. Edward hätte das, was mir die Eule mitteilen wollte, bestimmt korrekt interpretiert.
    Ich ging wieder auf mein Zimmer, um mich dem Studium des Edwardschen Diarys zu widmen, einer wichtigen Passage vor oder nach der Trauerfeier für Jenkins, die ich damals in der schlaflosen Nacht in meinem Sofatal auf dem Dachboden gelesen hatte … danach, das weiß ich genau, fasste ich jenen rigorosen Entschluss, der mich vor Passow, aber nicht vor anderen kleinen und großen Kalamitäten bewahren sollte.

 
    45 Der Baron Strehlow ist ein Fiasko in jeder Beziehung; früher voller phantastischer Ideen und ein Meister abstruser oder bizarrer Pläne (auf dem Papier), ließ er jetzt zu wünschen übrig, er verbrauchte nur noch und war – der Balte ist zäh – selbst verbraucht, obwohl er wie alle verarmten baltischen Adeligen für zwei aß und für drei trank; hier wie an vielen Orten unserer monasterischen Enklave erzeugten die Kosten-Nutzen-Relationen keine stimmige Harmonie, weder beim Personal noch in den Gehegen.
Ich befahl ihm, auf der Stelle einen genialen Einfall für Jenkins’ Epitaph zu finden, und drohte – ich schämte mich später – mit dem Entzug des Dinners.
Seine Reaktion düpierte mich.
Dinner, ja das Dinner!, sagte er säuerlich, Schneehuhn in Aspik, Schneehuhn geräuchert, kaltes Schneehuhn, warmes Schneehuhn, Würzschneehuhn, und das jeden Morgen und jeden Abend. Wissen Sie, ich

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