Traurige Therapeuten: Roman (German Edition)
Appetit, leckte mit einer belegten Zunge das teure Glas von Kothgasser ab und warf es Dr. Stache an die Rübe, Pardon, der Stil verlässt mich angesichts dieser schönen Erinnerungen – an den Kopf, natürlich, wohin sonst.
Große Kunst ist mitunter unsterblich!
Stache blessiert (Stirnbeule), aber der gute Kothgasser fiel in den üppig gepolsterten Schoß eines Sessels von Danhauser – (Wien 1833). Ein ergreifendes Bild, wie Jenkins vor seinem kühnen Wurf die mir teure Schale an die Lippen setzte, als sei’s der Heilige Gral; den überreifen Stilton fraß er so behutsam, als wären es Oblaten. Was für ein seelenvolles Tier. Der Stache hatte ihn einmal beleidigt, meinen Jenkins, indem er über dessen neues Seidenjabot gelacht hatte, das seine glänzend roten Arschbacken freiließ. Die Würde jedes Butlers ist auf Singram House unantastbar.
Was auf fatale Weise zum Exitus von Jenkins führte, war ein dummer Zufall; Hoffnung schöpfend über des Affen Zustand durch den Eingriff höherer Gnadeninstanzen – der Husten hatte nachgelassen, die trüben Augen verdunkelten sich wieder zur üblichen Unverschämtheit, seine Nase glänzte feucht –, da erschien zu meinem Bedauern meine Gattin Aslauga (eine geborene Plagendorf), um vorzeitig zu kondolieren. Als sie Jenkins lebfrisch sehen musste, war sie schockiert, trat ans Bett und reichte ihm freundlich die Hand, das ist so ihre Art. Alle Primaten liebten sie innig, sie hatte so eine Aura … weiß Gott, auch die Makis, die Lemuren, die Makaken und die Meerkatzen.
Sie trug einen taubenhalsgrauen Shawl, ein Foulard aus Seide, den Jenkins ihr entriss – er glitt sanft von ihrem dürren Hals –, und der unglückliche Jenkins stopfte sich das Ding mit beiden Händen in den Schlund und schien zu ersticken.
Außer Dr. Stache weinten wir wohl alle, sogar der Baron Strehlow, der eine Aversion gegen Affen hegte. Wahrscheinlich gefinkelt, aber gut gemacht – die Balten weinen bei jeder Gelegenheit, passend oder nicht.
Ich schloss Jenkins die Augen, da biss mich der Pavian mit letzter Kraft in meinen rechten Zeigefinger; er hustete und verschied, wie Dr. Mauser konstatierte, endgültig.
Erbarmung, sagte Strehlow, was für ein boshaftes Tier.
Humbug, sagte ich, der Biss war als Liebkosung gedacht.
Stache desinfizierte die Wunde, verband mich, und ich präparierte mich auf die Trauerfeier.
Unser Friedhof ist geräumig; viele Ulmen und Blumen aller Art, angelegt nach den Plänen des genialen Friedhofsgärtners Hempelmann.
Aslauga half mir bei den Vorbereitungen, sie ist eine Spezialistin für Pompes funèbres, ja bei Trauerfällen blüht sie auf. In den letzten Jahren hatte sie massenhaft Gelegenheit zu blühen. Die Küste, denke ich, ist der letzte Ort, an dem man einen Privatzoo etablieren sollte; nun war es zu spät. Der Friedhof war nunmehr größer als der Rest-Zoo mit Freigehegen und Käfigen. Viele schmerzliche Verluste, die ich nicht aufzählen mag …
40 An dieser Stelle bin ich immer gerührt; auf Verlustrechnungen verstehe ich mich perfekt, ein wahrer Buchhalter.
Für alle Fälle bestellte ich an der Rezeption einen Rotwein, den Dr. Spoerri mir ans Herz gelegt hatte. Dann widmete ich mich den Trauerfeierlichkeiten und ihrer Vorbereitung im Diary Numero XII von Edward und seiner Entourage an einem regenreichen Freitag in England.
41 Ließ Huxley kommen, ein guter Photograph, ein Schüler des großen Gli Alinari. Soll schöne Kunstwerke von Jenkins herstellen.
Setzte mich mit Strehlow in die Bibliothek, um eine würdige Grabinschrift für den Gedenkstein zu entwerfen. Strehlow ist veritabler Melancholiker, dem immer etwas Trauriges einfällt; wir setzten uns zur Teezeit an die Tische, aber kamen nicht recht vorwärts; tranken Gin, um der düsteren Stimmung Herr zu werden. Warum fraß Jenkins den Foulard, das fragten wir uns.
Es könnte sein, sagte Strehlow, es lag an dem Parfum, nur ein Verdacht … nach Brehm seien Paviane wüste, geile und böse Tiere …
Nicht mein Jenkins, sagte ich, der war lammfromm, eine Seele von Mensch – Pardon – Tier.
Es gibt auch böse Seelen in den Tieren, sagte Strehlow, es war die Cupiditas, die Jenkins hinriss, weil der Shawl von Aslauga mit Jicky getränkt war.
Er duftete nach Soir de Paris, sagte ich, ich wisse doch, wie meine Frau riecht.
Erbarmung, nein, sagte Strehlow, es war Jicky.
Ich bat ihn, sich um ein gutes Epitaph zu kümmern, anstatt über Parfum zu spekulieren.
Wen die Götter lieben, den lassen sie jung
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