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Traurige Therapeuten: Roman (German Edition)

Traurige Therapeuten: Roman (German Edition)

Titel: Traurige Therapeuten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingomar von Kieseritzky
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sowohl zu ihren Lebzeiten wie auch im ausgestopften Zustand; bei einer Serie von Porträts von Aslauga verliebte er sich in sie. Ob Affäre – was für alle Beteiligten eine angenehme Sache wäre –, ist unklar. Hoffen wir das Beste. Denke, ich habe alle Wichtigen erwähnt, gewürdigt und abgehakt. Stop – ich vergaß
Pooley, Jonathan, Schauspieler und Regisseur, mit dem ich wichtige Experimente unternahm, die teuer waren, ideell und pekuniär … Über eine Agentur bestellte Pooley arbeitslose Schauspieler, mit denen er Stücke für die Primaten einübte. Ich hatte, inspiriert durch Heyse, die glorreiche Idee, das Reaktionsvermögen, die Reaktionschemata und das Verständnis der Primaten durch die Vorführung rein menschlicher Dramen zu testen.
Auf der stattlichen Bühne vor den Käfigen – Schimpansen, Orang-Utans und Gorillas – gaben Pooley und die Seinen Shakespeares Dramen, vor allem die Königsdramen, einmal Schillers Wilhelm Tell (der Apfelschuss gefiel den Schimpansen), aber der Rest vom Schiller fiel durch, während wir Richard II. en suite hätten spielen können. Vor allem die Gorillas waren entzückt über die Schwert-Szenen; je mehr Gemetzel, desto weniger Obst warfen sie aus den Käfigen auf die Schauspieler.

 
    47 Korrektur.
Nicht die Gorillas waren von der blutigen Kampfszenen entzückt, sondern die Schimpansen.
Nachdem Pooley alle Königsdramen durchhatte, reichten wir den Tieren die Kostüme und Holzschwerter in die Käfige, in der Hoffnung, sie verwandelten sie in eine elisabethanische Bühne. Vergebliche Hoffnung. Der Nachahmungstrieb der großen Primaten wird überschätzt, das ist leider ein Faktum.
Die Gorillas ließen die Kostüme nach einer olfaktorischen Untersuchung in Frieden. Der alte, aber noch virile Silberrücken Milton schnüffelte an den Jabots, den Westen und den Strumpfhosen, die wahrscheinlich nach Schweiß, Talkum und Alkohol rochen, zerfetzte sie und krönte sich mit dem Blechding als Richard II., setzte sich auf seine Hinterkeulen und fixierte mit moroser Miene Butler Jenkins, der, natürlich mit einem ledernen Maulkorb um die freche Schnauze, in der ersten Reihe sitzen durfte. Ich glaube, er hatte Namenstag oder Geburtstag.
Die Blechkrone auf dem mächtigen Schädel stand Milton irgendwie. Wir schöpften Hoffnung, Heyse, Stache, Huxley und Frécot. Ich ließ Strehlow einen Spiegel aus dem Haupthaus holen.
Milton sah einen Gorilla mit einer viel zu kleinen Krone, der wütend die Zähne fletschte und ein tiefes U-hu ausstieß … einen Laut der Wut, der Enttäuschung (Gott, worüber), vielleicht des Selbsthasses (eine psychologische Vermutung unseres Dr. Mauser), dann zerknüllte – das ist der wahre Ausdruck – Milton die Krone wie ein Taschentuch und warf den kompakten Ball dem armen Jenkins an den Kopf. Jenkins kreischte und keckerte vor Entrüstung, während sich Milton vollständig aufrichtete und rasend vor Wut mit beiden schwarzen Fäusten auf seinen majestätischen Thorax trommelte. Das Dschungel-Gebrüll Miltons enervierte, wie kann es anders sein. Die vier Löwen brüllten, das Puma-Pärchen fauchte, und sogar unser letzter Amur-Tiger stieß grollende Laute aus, was Mauser verwunderte, in Sibirien sei das Wutgebrüll eines Gorillas in freier Wildbahn Tigern an und für sich unbekannt.
Ich erwiderte, dass er Unsinn rede, nicht umsonst hätte ich die Raubtiere gegenüber den Affen etabliert, damit sie sich täglich beobachteten und eines vom anderen lernte, was natürlich niemals der Fall war, aber immerhin Unterhaltung für die großen Katzen bot. Ich muss betrübt notieren, dass wir fürderhin keine Königsdramen mehr aufführen ließen.
Pooley versuchte es noch einmal mit dem Hamlet, Akt III, Szene I; ein Schauspieler namens Readel gab den Hamlet. Beim großen Monolog, der ja kein Menschenherz kaltlassen kann –
To be, or not to be; that is the question
Whether ’tis nobler in the mind to suffer –
– lauschte Milton andächtig, drehte uns dann den Rücken zu und furzte; die Schimpansen hielten die Köpfe schief und suchten weiter unverdrossen nach Flöhen, die Orang-Utangs reagierten nicht.

 
    48 Bestimmte Gründe des Handelns oder einer Handlung (singulär oder nicht) müssen nicht unbedingt den inneren Gesetzen einer Motivation entsprechen, der Zufall ist’s, der bestimmt. Wäre der Baron nicht gestolpert und in ein Sumpfloch gefallen, und hätte ich ihn nicht aus seiner misslichen Lage befreit, wären alle Ereignisse, die diesem Unfall folgten,

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