Traurige Therapeuten: Roman (German Edition)
STARB.
Großartig, sagte der Baron erschüttert, von einsamer lapidarer Kraft, Triftigkeit und Schönheit.
Das unvermeidliche Schneehuhn, wie zu fürchten stand, für jeden eines, also war der Plural angebracht, rückte unerbittlich näher.
46 Einen Edwardschen Satz aus dem Diary schrieb ich in mein Notizbuch; er bewies meines Großvaters Vorliebe für David Hume esq. –:
«Alles ist Phänomen, nichts anderes und ist nicht doch nur ein wildes Gemenge unzulänglich oder unsystematisch beobachteter Phänomene? Beobachte ein Phänomen sorgfältig und zeichne diese Beobachtung ebenso präzise auf – was man erhält, ist ein unumstößliches Faktum.»
Für die Kollektion von Fakten über Tier & Mensch beschäftige ich seit 25 Jahren ca. 30 Leute von Geist, Reputation oder blindem Arbeitseifer, als da wären (gelegentlich die Lohnlisten überprüfen!):
der Baron Strehlow, Balte, Freund, Parasit, Sekretär, Gesellschafter, Trinker; hat inzwischen den Status eines Faktotums. Seine Leber wird es nicht mehr lange machen. Früher sehr inspirierter Nekrologschreiber und -redner …
ein Kustos namens Rall, für die Kollektionen, hat Asthma und begreiflicherweise eine Staub-Allergie.
Bibliothekar Malmot, ein sprechender Name, erinnert mit seiner fleischigen Nase an ein gelehrtes Schaf; fürchtet sich vor Leitern, unter denen er sich bekreuzigt.
Babkin, Privatsekretär, in Verlust geraten, will sagen: Selbstverlust durch Ableben. Ursache: (sagte Dr. Mauser) ein unbekömmlicher Fuchsbandwurm. Schöne Vorstellung, dass so ein Parasit mit dem Wirt abstirbt; legt einem immer mal wieder den ausgleichenden Nemesis-Gedanken nahe.
Dr. Mauser; nicht mit der deutschen Waffenfabrik verwandt; leidlich guter Arzt, neigt aber zu bizarren Diagnosen, die vom Wetter abhängen. Bei Regen findet er andere Krankheiten als bei Sonnenschein. Verabreicht kiloweis’ Aspirin oder Chinin mit Gin. Ziehe ihn nur zu Rate, wenn die Fälle ohnehin hoffnungslos sind; auch ein Schmarotzer.
Hausarzt Stache, Allgemein-Mediziner, ein rechter Störherd-Fanatiker; es gebe nur endogene Krankheiten oder Schäden, die der Patient eigenhändig induziere. Behandelt nach Hahnemann – Akupunktur und Homöopathie. Spielte er nicht so gut Geige, hätte ich ihn längst entfernt.
Dr. Schmitt, zweiter Veterinär, der Todesengel für Moribunde, ein Experte des schmerzlosen Einschläferns, sehr gute Kraft; muss weinen, wenn er den armen Kreaturen den Todesanstoß gibt. Hatte etwas mit der Köchin Nancy, Affäre eingeschlafen.
Nancy, die Köchin, ein schwerer Fall von Adipositas; sie ist so dick, dass sie keine Treppen mehr steigen kann – lebt immer im Parterre u. leidet an Herz-Schmerzen. Habe ihr neben der Küche den Kartoffelkeller ausräumen und tapezieren lassen; dort wird sie dahingehen. Sie hasst Schneehühner.
Sehr nützlich, einmal Überblick zu gewinnen, was das Personal wirklich macht.
Guerini, Steinmetz, vor drei Wochen Abschied für immer. Starb einen berufsspezifischen, achtungsvollen Tod, indem er einen Tag nach seiner deliziösen Canova-Copie – Amor & Psyche – einem Herzschlag auf dem Friedhof erlag. Friede seiner Asche.
Frécot, unser Taxidermist, präpariert die Seligen schön und naturgetreu, alle untergebracht in der ehemaligen Fasanerie; auf dezente Weise schwul; trieb es früher mit dem Philosophen Heyse, bis der ihn aus dem Bett warf – die Aura (oder das Odeur) Frécots sei nicht mehr tragbar. Tatsächlich haftet dem vortrefflichen Manne eine Art von Hautgout an.
Heinrich Heyse aus Heidelberg; studierte bis (Datum getilgt) bei Prof. Drömmel, einem Zoologen, später warf er sich auf die Philosophie und promovierte über Okkasionalismus – habe nachgeschlagen, was das wohl ist, in meinem Lexikon stand nur: Siehe Theorie der Gelegenheits-Ursachen, schlug ebenda nach, aber die Seite fehlte, so dass ich bis heute nicht weiß, worum es sich handelt. Stellte ihn ein, weil er sich um die Sprache der Tiere kümmern sollte – Lautlehre, Kommunikation, Grammatologie etc. –, als Phonologe war er gut, versagte aber schon bei meinen Primaten mit stimmigen Interpretationen. Spielte er nicht begnadet die Querflöte, ich hätte ihn längst entfernt.
Wäre noch der Photograph Huxley, guter Handwerker, kein Künstler. Auf den Photographien kann man aber beinahe immer erkennen, um welche Objekte es sich handelt. Er photographierte die Park-Panoramen – also das Kloster vor dem Umbau, den Park bis zum Moor – und stellte gute Porträts aller Tiere her,
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