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Traurige Therapeuten: Roman (German Edition)

Traurige Therapeuten: Roman (German Edition)

Titel: Traurige Therapeuten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingomar von Kieseritzky
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eingeflößt, nun ruhte er auf dem Rücken in seinem Kastenbett, auf der hohen baltischen Stirn lag eine mit Eis gefüllte Wärmkruke.
Mochte er leiden.
Ich hatte unsere Köchin um ein Irish Stew gebeten.
Leichenschmaus, was für ein behagliches Wort. Johnson trug zusammen mit Nancy den riesigen Kupferkessel in den Saal – kein Unfall; in den Oberarmen hatte Johnson immer noch Affenkräfte.
Mein Lieber, fragte Stache, was werden wir genießen?
Strehlow gefüllt mit Jenkins, sagte ich. Dieser Tag war nicht mein Tag.
Auf dem Rechaud stand der normannische Kupferkessel, in dem der gute Jäger Iron Singram seine gehäuteten Zobel zu Gulasch verkocht hatte. Nancy in ihrer blauen Schlachterschürze hob den Deckel und die Gäste Nasen und Nüstern. Aus dem Kessel drangen bizarre Gerüche. Ich hatte Nancy angewiesen, alles zu verarbeiten, was an guten Resten vorhanden war; die Details kannte nur sie.
Irish Stew à la Jenkins, sagte sie triumphierend, nach einem Rezept von Nancy Hobson!
Hatte das Stew erst einmal den natürlichen Widerstand von Zunge, Rachen, Schlund und Speiseröhre überwunden, ruhte es eine halbe Minute im Magen, bevor die Magennerven reagierten. Der Magen, sagte unser Dr. Mauser, sei ein widerstandsfähiges Organ, nur das Darmhirn, ein sensibler Romantiker unter den inneren Organen, neige zu unberechenbaren Äußerungen.
Ach ja, sagte ich, auch hier Kommunikation.
Man löffelte lustlos und goss nach jedem Bissen den sauren Claret nach. Ich selbst aß nur Brot und beobachtete meinen treuen Menschenzoo. Die Gesellschaft erinnerte mich an eine traurige Horde Affen; sie aßen alle liederlich, schmatzten, soffen zu viel, warfen sich Brotkügelchen an die alten Schädel und bekleckerten mit der sehr substanziellen Brühe das Tischtuch, einstmals in guten Zeiten glänzender Damast. Reverend Treeball schlürfte nur die dunkle Brühe und ließ das Feste in der Schüssel; hin und wieder stützte er sich in typischer Primatenhaltung auf den Tisch und spähte zur Tür; erwartete wohl seine alte Lucy.
Wie die Affen, sagte ich mir immer wieder, wir sind musisch begabte und gelehrte Affen (hatte morgens beim Rasieren im Spiegel die Visage eines alten, kranken Orang-Utan, kaum Haare auf dem Schädel und eine breite und schiefe Fresse, erblickt).
Malmot sagte nach dem ersten Löffel, nicht einmal die vom Blei vergifteten Römer hätten dieses Gericht zu sich genommen, obwohl Apicius in seinen Rezepten einmal (allerdings im Anhang) mit Moschusdrüsen und Haselmausleber gefüllten Ziegeneuter verzeichne.
Wie in einer Theaterkantine, sagte Pooley.
Ich habe schon vor zehn Stunden in London gespeist, sagte Bruder Robert, schon immer ein genügsames Huhn.
Er habe einmal trockenes Mumienfleisch mit Sesamsauce im Tal der Könige verkostet, sagte unser Taxidermist Frécot, der Geschmack sei sehr ähnlich.
Sagen Sie immer nur die Wahrheit, ermunterte ich die ganze Gemeinde. Rall sagte hustend, die Sache sei zu scharf für ihn, und stürzte vier Becher Claret.
Hatten wahrscheinlich Kaviar und Eierlikör erwartet oder eine andere, dem Anlass angemessene Kombination, vielleicht Fish and Ships, reiner Luxus.
Der liebe Doc Heyse saß wie seine eigene Leiche vor dem Teller; die forensische Analyse war wohl noch nicht in seinem Analyse-Apparat; aber er hatte den Mund so voll, dass an Gutachten nicht zu denken war.
Das war die Lage.
Der Einzige, der imstande war, die generösen Künste der Köchin Nancy angemessen zu loben, war mein sorgloser Veterinär Schmitt.
Sublim, sagte er, ganz deliziös, vor allem der Nachgeschmack.
Die Tischnachbarn starrten ihn an, als habe er gefurzt.
Ich bitte Sie, sagte Schmitt, ich habe auf meinen Exkursionen im Ausland, vor allem in Afrika 1912, massenhaft Tiere nach dem Krepieren probiert …
Sehr schmackhaft, stöhnte Treeball wollüstig, vor allem das Dünne, das reine Manna, das nach einem Tischgebet verlangt hätte. Diese Idee stimmte mich heiter; ließ einen Löffel fallen, tauchte unter den Tisch und nahm einen anständigen Schluck Cognac aus dem Tulasilber-Flachmann.
Holen Sie’s nach, sagte ich, Sie haben recht, das Gebet fehlte. Als er sich ins Zeug legen wollte, erschien die Gattin Lucy. Sie trug einen Pelzmantel, wie ich sehen konnte, halb Mäuse- und halb Katzenfell. Ich erkannte an ihrer linken, mageren Flanke das Fell von Willy, einem gestromerten Kater; er war ein fetter und sanfter Eunuch gewesen, der die Mäusejagd schon in blühender Jugend wegen einer angeborenen Indolenz aufgegeben

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