Traurige Therapeuten: Roman (German Edition)
der Köchin zu verarbeiten zu einem visceralen und stercorösen Brei – der gute Memmett wurde immerhin 114 Jahre alt, bis ihn ein Gang in den Weinkeller (Treppe abwärts, Dunkelheit) das Leben kostete.
Möge uns dieser Gang auch im höchsten Alter beschieden sein.
Allerletzter Nachsatz, müde.
Die beiden Schildkröten soll mein Sohn Max bekommen – mag er in Berlin deren Altersresistenz studieren und ihre göttliche Trägheit. Als Sujet betrachtet, kann man viel über die Kunst und die des Überlebens lernen, wie über sinnlose Beharrlichkeit, was vielleicht auch für die Kunstszene gilt, Gott weiß.
E.
Nach meinem Tod bitte folgende Dinge, Objekte etc. vernichten oder löschen oder ausmerzen oder tilgen – es gibt unbändig viele Synonyma für diese Tätigkeiten – oder über den Jordan gehen lassen oder versenken – (denn wozu haben wir die Attraktion Sumpf) – freilich unter dem edlen Vorbehalt, meine Gattin Aslauga legte Wert auf das Zeug, dann möge sie es behalten …
Das Naturalienkabinett kann komplett weg; schon zu meinen Lebzeiten interessierte sich kein Schwein für die Relikte. Vielleicht sollte man die Kollektionen dem Waisenhaus von Knockton schenken, ein wahrhaft philanthropischer Gedanke …
Zum Sterben schön war und ist das Naturkundemuseum, ein wahrer Kosmos von Szenen, Panoramen und Dioramen aus der Tierwelt …, in der unser Taxidermist von Genie sein Bestes gab, was Naturtreue, Schönheit und wissenschaftliche Exaktheit betrifft. Wie gern ging ich am frühen Morgen in die kleinen Säle mit den Exponaten, wenn die Sonne durch das sinnreiche Oberlicht Szenen aus Steppe, Savanne und Urwald so golden illuminierte, als wäre der erste Tag des Paradieses eben angebrochen; heitere Empfindungen überkamen mich bei der Betrachtung der Haselmaus, die in ihrem kunstvollen Kugelnest Winterschlaf zu halten schien, das winzige Körperchen zusammengerollt und die Pfoten über den Schnurrhaaren gefaltet, tief ergeben dem reduzierten Stoffwechsel. Ich hatte gute und auch tiefe Gedanken, unter denen ich sonst nicht leide. Die kontemplative Betrachtung dieser Wunder machte kurzfristig einen besseren Menschen aus mir …
Und dann die kopulierenden Leoparden, die sich während des Actus purus allzeit und anhaltend à tergo tagelang der Fortpflanzungssache widmen, ohne ihrer überdrüssig zu werden …
Nicht ganz so gelungen schien mir von jeher Frécots Waldstück – Genoveva wird von einer Hirschkuh geatzt, während sie ihrem Säugling die Brust reicht; leider musste der Taxidermist statt Menschen Affen nehmen, in diesem Fall Schimpansen, Mutter und Kind, bekleidet mit Kostümen aus dem Fundus von Pooley. Die Legende verlangt nach einer Hindin, Frécot fand würdigen Ersatz in einer Gazelle …
Nicht vollkommen, sagte er, Wachspuppen oder gar Echtmenschen sind ansprechender, aber wo auftreiben … die Präparation eines Menschen wäre eine wunderbare künstlerische Herausforderung, gesetzt, er habe nichts Ansteckendes.
Mir war seine Enttäuschung sehr begreiflich.
Ein Künstler seines Ranges benötigt das angemessene Material. An das Personal wollte ich nicht rühren, vor allem nicht an das weibliche, und schöne weibliche Gäste von außerhalb besuchten uns so selten, dass man sie nicht einer alten Legende wegen opfern sollte.
Ein großer Wurf dagegen war der sinnende Auerochs auf Frühlingswiese, eine Gruppe mit Schlangenköpfen spielender Zwergmungos in anmutigen Posen und der Löwe Hugh (er starb nach lang ertragenem Leiden an Schwermut) in der Savanne ruhend beim Mittagsschlaf; leider war sein goldener Pelz von Motten beschädigt, insgesamt sah er majestätisch aus, aber auch tieftraurig mit seinen schwarzen Lefzen.
Mein Herz hängt an den Exponaten, aber es sind Staubfänger; sie müssten mich nicht überdauern.
Was soll der Unfug des Sterbens.
61 Leider brachen an dieser Stelle (Diaryum XII) alle Notate ab, so dass ich nicht weiß, was in der schönen Enklave später geschah.
Purer Neid auf Großvater Edwards reine Existenz, keine Frage – «frei von albernen Skrupeln, frei von Moralen oder Submoralen, frei von dem mit Dummheit, Niedrigkeit und Mammon unterteuften Zeitgeist» – (Zitat aus Edwards Diary VI) – ja, und frei warst du (im Tonfall eines Nekrologs) von allen Phobien und Idiosynkrasien, mit denen wir kleinen Sterblichen auf diese mäßig gute unter den besten dieser Welten reagieren müssen. Als freier Geist warst du absolut therapie-resistent, du brauchtest keine
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