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Traveblut

Traveblut

Titel: Traveblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jobst Schlennstedt
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versteinerter Miene.
    »Rehm ist aus der Psychiatrie abgehauen«, sagte er nachdenklich zu Ida-Marie. Er wusste nicht, was er von der Sache halten sollte. War Rehm tatsächlich der, den sie suchten? »Ruf bitte sofort im Präsidium an. Wir müssen eine Fahndung herausgeben. Ich glaube kaum, dass wir ihn in seiner eigenen Wohnung finden werden.«
    Andresen schaltete das Blaulicht ein und überholte die Autos vor sich. Ohne Rücksicht auf rote Ampeln und den Gegenverkehr raste er über den St.-Jürgen-Ring und bog auf die Ratzeburger Allee ab. Ida-Marie telefonierte währenddessen mit den Kollegen und forderte mehrere Streifenwagen zur Verstärkung an. Zwei Wagen wurden direkt zur Wohnung von Katharina Kock geschickt. Andresen vermutete, dass Rehm eventuell dort Unterschlupf finden wollte.
    »Ich habe kein gutes Gefühl bei der Sache«, sagte er. »Mir will nicht in den Kopf, was die Jochimsen damit zu tun hat. Warum sollte Rehm sie umbringen? Das ergibt doch keinen Sinn.«
    »Warum haut er aber aus dem Krankenhaus ab?«, entgegnete Ida-Marie.
    »Vielleicht weil er genau das von uns erwartet hat, was wir gedacht haben. Dass wir ihn für schuldig halten. Er konnte sich denken, dass wir früher oder später mit Eva Matthis sprechen würden und hinter ihre Beziehung zu Katharina Kock kommen.«
    »Möglich. Aber wenn es stimmt, dass Rehm sie schlecht behandelt hat, ist es die beste Spur, die wir zum jetzigen Zeitpunkt verfolgen können.«
    »Er hat sie nicht geschlagen«, stellte Andresen klar. »Die Rede war von ›belogen und betrogen‹. Offenbar ist auch er fremdgegangen.«
    »Soll vorkommen«, antwortete Ida-Marie lächelnd und blickte aus dem Seitenfenster.
    »Ich möchte, dass das zwischen uns aufhört«, sagte Andresen plötzlich. »Ich liebe Wiebke.«
    »Natürlich.«
    Sie fuhren schweigend weiter. Der Regen war mittlerweile so stark geworden, dass das Wasser aus den Gullydeckeln austrat und ganze Straßenabschnitte überschwemmt waren. Plötzlich blitzte es, schnell gefolgt von einem dumpfen Donnergrollen. Es war, als riefe Petrus sein gesamtes April-Repertoire ab.
    Im Universitätsklinikum berichtete man ihnen, dass Rehm die Psychiatrie offenbar vor etwa einer Stunde verlassen hatte. Die zuständige Schwester hatte gegen zwei Uhr das leere Bett vorgefunden, nachdem Rehm zuvor mehr als fünfzehn Stunden geschlafen hatte.
    »Wir haben ihm starke Beruhigungsmittel geben müssen. Sein Zustand war gestern äußerst bedenklich.«
    »Was heißt das?«, fragte Ida-Marie.
    »Er war sehr aufgebracht, beinahe wütend. Gleichzeitig wirkte er zutiefst traurig. Wir glauben, dass er sich etwas antun könnte.«
    Verständlich, dachte Andresen. Es war schließlich seine Freundin, die umgebracht worden war. Zumindest nach außen hin. Und selbst wenn er ihr Mörder gewesen sein sollte, musste das noch lange nicht bedeuten, dass er nicht um sie trauerte. Solche Fälle waren nicht selten. Der betrogene Ehepartner tötete nicht die Affäre, sondern die eigene Frau. Die Reue im Nachhinein endete oftmals mit Selbstmord.
    Andresen saß resigniert mit einem Becher Kaffee in den Händen auf dem Gang der Psychiatrie. Um ihn herum herrschte reges Treiben. Ärzte, Schwestern und Patienten liefen an ihm vorbei.
    Ida-Marie unterhielt sich noch immer mit der zuständigen Schwester, um den genauen Ablauf von Rehms Verschwinden zu rekonstruieren. Andresen blickte auf seine Uhr und sah, dass es bereits kurz nach fünf war. Er kramte sein Handy aus der Innentasche seiner Jacke und sah, dass Ole ihm eine Nachricht auf der Mailbox hinterlassen hatte. Rasch hörte er sie ab.
    »Ich komme gegen halb sieben bei dir zum Essen vorbei. Allerdings alleine, ohne Chrissy. Bis später.«
    Ach du meine Güte, durchfuhr es Andresen. Die Verabredung mit Ole hatte er vollkommen vergessen.
    »Und, hast du noch was erfahren?«, fragte er Ida-Marie, nachdem sie ihr Gespräch beendet hatte.
    Sie schüttelte den Kopf. »Die können sich das alle nicht erklären«, antwortete sie. »Er muss wach geworden sein, realisiert haben, was los ist, und sofort abgehauen sein. So, wie sich die Situation darstellt, sogar durch den Haupteingang. Dreistigkeit siegt eben.«
    »Höchst merkwürdig«, sinnierte Andresen.
    Ida-Marie wollte sich bereits wieder umdrehen und weitere Gespräche führen, als Andresen sie zurückhielt. »Ich habe gleich eine Verabredung mit meinem Sohn. Er kommt zum Essen bei mir vorbei. Wir wollen über so einiges reden, du weißt ja, dass unser

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