Traveblut
Gedanken, als er sie da so stehen sah.
»Alles in Ordnung, Herr Kommissar?«
»Natürlich«, antwortete Andresen hastig. »Ich nehme gerne eine Tasse Kaffee.«
Sie gingen nach nebenan ins Wohnzimmer, wo Andresen auf einem Designersessel Platz nahm. Überhaupt war die Wohnung geschmackvoll eingerichtet. Mobiliar und Deko waren sorgfältig aufeinander abgestimmt und machten nicht den Eindruck, im Discount-Möbelhaus gekauft worden zu sein. Was jedoch überhaupt nicht ins Bild passte, war das heillose Durcheinander in der gesamten Wohnung. Überall lagen Kleider, Zeitschriften, Schuhe; mehrere volle Aschenbecher und auch die ein oder andere leere Rotweinflasche standen herum.
»Entschuldigen Sie das Chaos hier. Die letzten Stunden waren nicht einfach für mich.«
»Verständlich nach dem, was mit Ihrer Freundin passiert ist.« Andresen hielt kurz inne, ehe er weitersprach. »Ich nehme an, Sie haben bereits die Zeitung gelesen und wissen, wie Katharina Kock ums Leben gekommen ist?«
Sie nickte.
»Die Kripo arbeitet mit Hochdruck daran, ihren Tod aufzuklären. Dafür ist es jedoch notwendig, so viel wie möglich über sie in Erfahrung zu bringen. Ich würde Ihnen gerne einige Fragen stellen.«
Eva Matthis starrte ihn aus leeren Augen an und schluckte schwer. »Ich werde mein Möglichstes tun, um Ihnen zu helfen«, sagte sie schließlich.
»Wie lange haben Sie Katharina Kock gekannt?«
»Knapp fünf Jahre. Wir haben uns kennengelernt, als wir beide in demselben Unternehmen beschäftigt waren.«
»Haben Sie zuletzt nicht mehr zusammen gearbeitet?«
»Nein, schon eine ganze Weile nicht mehr. Ich habe mich vor zwei Jahren mit meinem eigenen Grafikbüro selbstständig gemacht.«
»Aber Ihrer Freundschaft tat das keinen Abbruch?«
»Ganz im Gegenteil. Wir haben uns danach sogar noch besser verstanden.« Eva Matthis blickte auf den Dielenboden und war den Tränen nahe. »Entschuldigen Sie. Ich muss kurz in die Küche, den Kaffee holen.«
Andresen nutzte die Gelegenheit, um sich ein wenig im Wohnzimmer umzusehen. Beim Anblick der teuren Einrichtung bekam er den Eindruck, dass der Verdienst einer selbstständigen Grafikerin nicht der schlechteste sein konnte. Sein Blick fiel auf den Sims eines futuristisch geformten Ofens. Mehrere Fotos in schicken Holz- und Edelstahlrahmen zierten ihn. Eines der Bilder zeigte Eva Matthis offenbar mit ihren Eltern. Ein anderes sah ebenfalls wie ein Familienfoto aus. Vielleicht zusammen mit ihren Geschwistern.
Als er das letzte der Fotos betrachtete, hätte er Katharina Kock beinahe nicht erkannt. Er hatte ein Foto von ihrer Leiche gesehen und mehrere bei ihrem Bruder, die jedoch bereits vor einigen Jahren aufgenommen worden waren. Das Foto auf dem Sims zeigte sie gemeinsam mit Eva Matthis. Katharina stand nach vorn gebeugt und hatte ihre Arme eng um Eva Matthis' Oberkörper geschlungen. Eva saß auf einem Stuhl im Bildvordergrund und hielt sich an Katharinas Händen fest. Beide Frauen strahlten in die Kamera.
Andresen runzelte die Stirn und stellte das Foto zurück auf den Kaminsims. Er hörte, dass Eva Matthis noch immer in der Küche zugange war. »Kann ich Ihnen helfen?«, rief er zu ihr hinüber.
»Danke, das schaffe ich schon allein. Bin gleich wieder bei Ihnen.«
Andresen sah sich weiter um. Diesmal blieb sein Blick an einem Schmuckkästchen hängen, das auf einer kleinen Kommode neben dem Kamin stand. Unauffällig sah Andresen in den Flur, um abzuschätzen, wie weit Eva Matthis war. Er konnte erkennen, dass sie noch an der Kaffeekanne herumhantierte. Vorsichtig öffnete er die Schatulle und nahm eine Kette mit einem Amulett heraus. Obwohl er sich mit Schmuck nicht auskannte, glaubte er, dass die Kette wertvoll war. Neugierig öffnete er den Anhänger.
»So, der Kaffee ist fertig«, rief Eva Matthis.
Hastig legte Andresen die Kette zurück in die Schatulle und wollte zu dem Designersessel eilen. Dabei stolperte er über eine leere Weinflasche, die unter lautem Getöse über den Boden rollte. Einen Augenblick später kam Eva Matthis mit einem Tablett herein und stellte es auf dem kleinen Wohnzimmertisch ab. Sie tat so, als hätte sie den Krach nicht gehört, aber Andresen hatte längst bemerkt, dass sie auf der Hut war.
»Vielen Dank«, sagte er, nachdem sie ihm eine Tasse Kaffee eingeschenkt hatte. »War Katharina eigentlich Ihre beste Freundin?«
Sie zögerte einen Moment. »Ja, ich glaube, das kann man sagen«, antwortete sie schließlich. »Wir waren wirklich beste
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