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Traveblut

Traveblut

Titel: Traveblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jobst Schlennstedt
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war, und nicht zuletzt seine Verschlossenheit, wenn er in eine schwierige Ermittlung verstrickt war, waren für seine Mitmenschen nur schwer zu ertragen. Nicht nur Rita hatte darunter gelitten, auch bei Wiebke führte sein Job zu Diskussionen.
    Er stand auf und trat ans Fenster. Nachdenklich blickte er auf die Straße. Draußen war es stockdunkel. Sein Gesicht spiegelte sich in der Fensterscheibe wider. Er schreckte zurück, als er sah, wie mitgenommen er aussah. Die tiefen Falten auf der Stirn und die Augenringe ließen ihn wesentlich älter erscheinen, als er tatsächlich war.
    »Ich kann mich nur wiederholen«, sagte er nach einer Weile. »Du hast mit dem, was du sagst, absolut recht. Und trotzdem, sie hätte nicht einfach so gehen dürfen. Sie ist gegangen und hat mich zurückgelassen.«
    Ole schaute ihn traurig an. »Uns«, sagte er. »Sie hat uns zurückgelassen.«
    Einen Moment lang überlegte Andresen, ob er seinen Sohn in die Arme nehmen sollte. Doch ihm fehlte der Mut. Zu feige, seinen eigenen Sohn in die Arme zu schließen. Innerlich brodelte er. Er war hin- und hergerissen.
    »Ich muss jetzt los«, sagte Ole plötzlich. »Morgen geht es wieder früh raus.«
    »Jetzt schon?«, fragte Andresen enttäuscht. »Bleib doch noch ein wenig.«
    »Ich muss ins Bett«, antwortete Ole. »Mein Wecker klingelt um sechs. Außerdem habe ich Chrissy gesagt, dass ich vor zehn wieder zu Hause bin.«
    »Dann will ich dich nicht aufhalten. War ein schöner Abend.« Andresen begleitete Ole runter und verabschiedete sich an der Haustür. »Danke für dein Kommen«, sagte er leise.
    Ole nickte lächelnd und wandte sich ab.
    »Ole, warte!«, rief Andresen hinter ihm her. Er lief zu ihm und blieb unentschlossen vor ihm stehen. Dann nahm er ihn in den Arm und drückte ihn, so fest wie er konnte, an sich. Zum ersten Mal seit Jahren waren sie sich wieder nahe.
    Als Ole gegangen war, setzte sich Andresen wieder hoch ins Wohnzimmer. Er fror. Das feuchtkalte Wetter machte ihm zu schaffen. Vom Winter war noch etwas Holz übrig. Er machte Feuer im Kamin und ließ sich in seinen Lesesessel fallen.
    Ole hatte sich verändert. Er war endgültig erwachsen geworden. Früher war er unbekümmerter gewesen. Hatte manchmal auch über die Stränge geschlagen. Jetzt schien er nachdenklich und verletzbar zu sein. Andresen führte sich noch einmal vor Augen, dass Ole gerade mal zwanzig war. Seine Freundin schien ein wichtiger Halt zu sein. Auch seine Ausbildung zum Tischler nahm er offenbar ernst. Andresen war froh, dass sich sein Sohn nicht hatte unterkriegen lassen.
    Er goss sich ein weiteres Glas Rotwein ein und starrte in die Flammen. Es war kurz nach zehn. Er musste an Wiebke denken. Er hatte sie immer noch nicht angerufen. Kurzerhand schnappte er sich das Telefon und wählte ihre Nummer. Endlich. Schon beim zweiten Klingeln meldete sie sich.
    »Hallo, Birger hier«, sagte er. »Ich hoffe, du hast noch nicht geschlafen.«
    »Doch, aber kein Problem«, antwortete sie mit glücklicher Stimme. »Schön, dass du anrufst. Ich vermisse dich.«
    »Ich dich auch. Ich hatte das Bedürfnis, deine Stimme zu hören.«
    »Tatsächlich? Und ich dachte schon, du wolltest nichts mehr von mir wissen, weil du dich nicht gemeldet hast. Was war denn los?«
    Er erklärte ihr, was in den letzten Tagen alles passiert war, und beteuerte, es mehrfach bei ihr versucht zu haben. Obwohl er seine Ausreden selbst erbärmlich fand, zeigte sie Verständnis.
    »Ich kenne es ja nicht anders bei dir. Immer im Dienst.«
    »Nein, es war mein Fehler. Ich hätte dir trotzdem kurz Bescheid geben können, dass alles in Ordnung ist.« Er machte eine Pause und versuchte, das Thema zu wechseln. »Wie geht es dir denn?«
    »Ich freue mich darauf, bald wieder bei dir zu sein. Du weißt ja, wie das mit meiner Mutter und mir ist. Sie genießt die Zeit mit den Kindern, aber spätestens am dritten Tag streiten wir nur noch. Außerdem werde ich langsam nervös wegen unseres Umzugs. Freust du dich denn mittlerweile wenigstens ein bisschen?«
    »Natürlich, das weißt du doch. Es ist eben nicht ganz einfach für mich, loszulassen. Mein Haus liegt mir nun mal am Herzen.«
    »Ich bin mir sicher, dass du dich in ein paar Monaten in unserem gemeinsamen Haus genauso heimisch fühlen wirst. Wir werden es uns richtig gemütlich machen.«
    »Ja, bestimmt«, antwortete Andresen. »Wie geht's denn den Kindern?«
    »Sie fragen ständig nach dir. Und sie freuen sich tierisch auf den Umzug, ihre neuen Zimmer

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