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Traveblut

Traveblut

Titel: Traveblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jobst Schlennstedt
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jedoch, dass Hanka Weichert bei ihrer Aussage im Präsidium nichts dergleichen erwähnt und stattdessen vorgegeben hatte, in der Dunkelheit kaum etwas gesehen zu haben.
    »Ich würde mich mit Ihnen gerne ein wenig über Ihr Privatleben unterhalten. Vielleicht findet sich ein Anhaltspunkt, der uns weiterhilft. Eine Kleinigkeit kann manchmal bereits ausreichen, um alles ins Rollen zu bringen.«
    Ihr Blick verriet Unsicherheit und Skepsis.
    »Haben Sie vielleicht irgendwelche speziellen Hobbys?«, fragte Andresen. »Brigitte Jochimsen war beispielsweise jahrelang im Kinderschutz aktiv.« An Hanka Weicherts Stirnrunzeln erkannte er, dass sie nicht verstand, wovon er sprach. »Sie war das erste Opfer«, fügte er erklärend hinzu.
    Plötzlich zitterte das Wasserglas in ihrer Hand, ihre Wangen färbten sich rot.
    »Was haben Sie denn? Ist Ihnen nicht gut?«
    »Nein, nein. Alles in Ordnung. Es ist nur …« Sie hielt inne. »Ich weiß, wer sie ist. Brigitte, ich kenne sie. Oder besser, ich kannte sie.«
    »Woher?«, fragte Andresen, plötzlich hellwach.
    »Über den Beruf. Wir haben einige Jahre an derselben Schule unterrichtet. Aber das ist mittlerweile mehr als zehn Jahre her.«
    »An der Blücher-Grundschule?«
    »Ja.«
    »Unterrichten Sie noch immer dort?«
    »Nein, schon seit einigen Jahren nicht mehr. Ich bin mittlerweile an einer Berufsschule tätig.«
    Andresen machte sich Notizen. »Wie war Ihr Verhältnis zu Frau Jochimsen? Hatten Sie viel Kontakt zu ihr?«
    »Wir kannten uns«, antwortete sie. »Mehr aber auch nicht. Sie war eine Kollegin wie jede andere auch.«
    Andresen musterte sein Gegenüber. Hanka Weichert hatte einen Augenblick zu lange gezögert. Irgendetwas verschwieg sie ihm, da war er sich sicher.
    »War sie eine beliebte Lehrerin? Können Sie sich daran erinnern?«
    »Brigitte war von der alten Schule«, antwortete Hanka Weichert. »Ein wenig strenger mit den Kindern und deshalb nicht sonderlich beliebt.«
    Andresen hörte interessiert zu. Wieder kam der Hinweis auf den autoritären Erziehungsstil von Brigitte Jochimsen.
    »Dann sprechen wir noch einmal über Sie«, wechselte er das Thema. »Haben Sie irgendeine Erklärung für den Übergriff?«
    »Nein, sollte ich denn?«
    »Vielleicht«, antwortete Andresen vielsagend. »Hatten Sie in letzter Zeit Probleme mit jemandem? Gab es Drohungen gegen Sie?«
    Wieder blickte sie ihn unsicher an. Dann schüttelte sie den Kopf. »Wenn dem so wäre, hätte ich es Ihnen wohl längst gesagt.«
    »Wahrscheinlich«, sagte Andresen. Es schien, als würden für den Moment keine weiteren Informationen aus ihr herauszuholen sein. »Vielen Dank, ich glaube, das war es fürs Erste.« Er reichte ihr die Hand und verabschiedete sich. »Wenn Ihnen noch etwas einfällt, dann rufen Sie mich bitte an. Oder falls Sie doch noch Polizeischutz in Anspruch nehmen möchten.«
    Sie stand in der Tür und nickte langsam mit einem gequälten Lächeln.
    Vor dem Haus blieb Andresen stehen und atmete tief ein. Er verabschiedete sich von den Kollegen im zivilen Einsatzwagen und beschloss, an der Wakenitz entlangzugehen. Vor einem abgesperrten Steg blieb er stehen. Dann kletterte er über die rot-weiß gestreiften Plastikbänder des morschen Stegs und ging vor bis ans Wasser. Er setzte sich auf die klammen Holzbalken und ließ die Beine baumeln. Gerade so oberhalb der Wasserkante.
    Für einen Augenblick hatte er geglaubt, dass Hanka Weichert ihm entscheidende Hinweise geben könnte. Doch dann hatte sie mit einem Mal abgeblockt und nur noch Belanglosigkeiten berichtet. Er war erfahren genug, um zu wissen, dass es in solchen Momenten keinen Sinn hatte, weiterzubohren. Irgendetwas hatte sie plötzlich davon abgehalten, weiterzuerzählen. Nur was?
    Die Sonnenstrahlen, die sich mühevoll durch die Wolkendecke kämpften, erwärmten die Luft. Die Wakenitz lag still und anmutig vor ihm. In unmittelbarer Nähe zur Altstadt die perfekte Idylle, um die Seele baumeln zu lassen. Wenn man nicht gerade eine Mordserie aufklären musste.
    Andresen sah sich um. Von hier aus konnte er gerade noch das Haus erkennen, in dem Hanka Weichert wohnte. Er sah, dass sie auf dem Balkon ihrer Wohnung stand und telefonierte. Ihrer Gestik nach zu urteilen, schien sie sich zu echauffieren.
    Er stand auf und ging zurück zur Straße. Was hatte das Zögern von Hanka Weichert ausgelöst? Sie hatte für ihre Antwort nur den Bruchteil einer Sekunde zu lange gewartet. Hatte sie Brigitte Jochimsen möglicherweise doch besser

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