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Traveblut

Traveblut

Titel: Traveblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jobst Schlennstedt
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Schritttempo daran vorbei und bog um die nächste Kurve, wo er seinen Volvo ebenfalls abstellte. Er schlich um die Häuserecke und blickte die schmale, kopfsteingepflasterte Straße entlang. Am Ende der kleinen Gasse sah er die beiden. Sie liefen rasch in Richtung Trave. Andresen überquerte die Straße und folgte ihnen so unauffällig wie möglich.
    Eine der großen Fähren lief gerade aus dem Hafen aus. Im Dunkeln ein besonderes Schauspiel. Das Schiff war beleuchtet wie ein Tannenbaum und schob sich gedämpft stampfend an der Vorderreihe entlang.
    Andresen erkannte, dass Hanka Weichert und ihr Begleiter in Richtung Fischereihafen verschwanden. Weshalb waren sie hier? Um diese Tageszeit war im Fischereihafen kaum noch etwas los.
    Die beiden gingen weiter, bis sie vor einem Boot im Hafen stehen blieben und ans Fenster klopften. Trotz der Dunkelheit sah Andresen, dass Hanka Weicherts Begleiter einen Friesennerz und Gummistiefel trug.
    Niemand schien auf das Klopfen zu reagieren. Der Mann versuchte es an einem anderen Fenster. Auf der »Perle«, so hieß das Boot, befand sich offenbar ein Restaurant. Zumindest deuteten das verwitterte Namensschild, das oberhalb des Schotts angebracht war, und eine antik daherkommende Bierreklame darauf hin: »Zum Möwenschiet«. So sah es auch aus, dachte Andresen.
    Plötzlich tat sich etwas. Das Schott, das zu einer einfachen Eingangstür umfunktioniert worden war, wurde aufgestoßen. Der Mann mit den Gummistiefeln begrüßte sein Gegenüber und beklagte sich lauthals über irgendetwas. Hanka Weichert wartete wortlos im Hintergrund.
    Andresen fluchte leise. Er konnte nicht erkennen, wer den beiden die Tür geöffnet hatte. Hanka Weichert und der Mann betraten das Innere des Bootes und schlossen die Tür hinter sich. War sein abendlicher Ausflug vollkommen umsonst gewesen? Die Fahrt nach Travemünde, das Herumgeschleiche bis zum Fischereihafen, alles endete hier vor diesem alten Kahn. Ohne ersichtlichen Grund war er dem blauen Golf gefolgt, ohne irgendein Anzeichen, dass Hanka Weichert tatsächlich mehr wusste, als sie bislang verraten hatte. Und trotzdem war er sich sicher, dass ihr Verhalten zum Himmel stank, jedenfalls schlimmer als der Fisch, der hier jeden Morgen zum Verkauf angeboten wurde.
    Mit einem gewagten Satz sprang Andresen auf das Nachbarboot der »Perle« und ging nach vorn bis an die Bugspitze. Die Dämmerung war mittlerweile vollkommen in Dunkelheit übergegangen und zwang ihn dazu, sich an der Reling entlangzuhangeln. Doch von hier aus konnte er nichts beobachten. Er musste rüber auf die »Perle«. Nur würden sie ihn mit Sicherheit bemerken, wenn er über die Decksplanken lief. Er musste so vorsichtig wie möglich sein. Dann würde es ihm vielleicht gelingen, die drei zu belauschen. Ein paar Wortfetzen aufzugreifen und zu verstehen, was hier vor sich ging.
    Ganz langsam kletterte Andresen an Deck der »Perle«. Er ging auf die Knie und robbte auf allen vieren weiter. Als er die Mitte des Schiffs erreicht hatte, vernahm er plötzlich Geräusche. Stimmen aus dem Inneren des Schiffs. Sie klangen nah.
    Mit einem Mal breitete sich ein lautes Dröhnen aus. Andresen richtete sich auf und sah über den Schiffsaufbau hinweg auf das Travewasser. Er sah eine weitere riesige Fähre im dunklen Wasser direkt auf sich zukommen. Er wusste, dass die Perspektive täuschte und die Fähre gleich abdrehen würde, aber für einen Moment erschrak er vor dem sanftmütigen Stahlkoloss. Das Schiffshorn ertönte und hallte klangvoll über die Vorderreihe. Als es erstarb, hinterließ es auf dem Wasser ein eigenartiges Vakuum.
    Vor ihm war ein Fenster, das ein Stück weit offen stand. Andresen erkannte es bloß, weil die vorbeifahrende Fähre ein wenig Licht zu ihm herüberwarf. Die Stimmen waren jetzt deutlicher zu hören. Vorsichtig riskierte er einen Blick ins Innere der »Perle«. Er sah Hanka Weichert und die zwei Männer an einem kleinen Tisch sitzen. Das Gesicht des Mannes, der die Tür geöffnet hatte, blieb hinter einem Holzträger verborgen. Andresen sah lediglich, dass er grauhaarig war und einen dunkelblauen Seemannspulli und Jeans trug. Die aufgeregten Stimmen verrieten, dass die drei offenbar in eine heftige Diskussion verstrickt waren.
    »Ich hatte Todesangst, Piet! Der Typ hätte mich beinahe umgebracht!«
    Das war zweifelsfrei Hanka Weicherts Stimme. Sie sprach mit dem Mann, mit dem sie hergekommen war.
    »Beruhig dich erst mal«, entgegnete Piet. »Willst du einen

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