Traveler - das Finale
Fahrersitz. Er stieß die Tür des Eiswagens auf und schlenderte zu den Picknickplätzen neben dem Fußballfeld hinüber. Als er sicher sein konnte, unbeobachtet zu sein, öffnete er die Box, holte den Zweig heraus und legte den HIMEM vorsichtig auf einer Tischplatte ab. Bei dem Insekt handelte es sich um eine Amerikanische Königslibelle mit lang gestrecktem Körper, starken, transparenten Flügeln und leuchtend blauen Flecken am Unterleib.
Die Libelle hatte mehrere Wochen in der Plastikbox ausgeharrt und schien erleichtert, endlich im Freien zu sein. Doyle bildete sich ein, die Libelle nur zu gut verstehen zu können; auch er war ein Gefangener gewesen, und er freute sich darüber, wieder draußen in der Welt zu sein. Langsam bewegte das Insekt beide Flügelpaare und spürte den Wind und die Nachmittagssonne. Doyle tippte mit den Fingern auf die Tischplatte, und die Libelle hob ab.
Doyle ging zum Eiswagen zurück, setzte sich wieder in die Zwischenkammer und aktivierte das HIMEM-Programm. Das
erste Bild auf dem Monitor zeigte eine dunkle, raue Oberfläche; Doyle vermutete, dass die Libelle auf einem Ast saß. Er schloss einen Joystick an den Computer an und schob den Hebel sanft nach vorn. Die Libelle reagierte wie ein ferngesteuertes Modellflugzeug, hob ab und flog nach Osten. Doyle konnte einen Parkplatz und Baumkronen erkennen.
In San Diego und San Francisco hatte er gelernt, die Hybridinsekten zu bedienen. Man konnte die Libelle nicht unmittelbar steuern, sondern nur die ungefähre Richtung vorgeben und sie in der Luft innehalten lassen. Der Einsatz eines HIMEM ermöglichte es ihm, Kinder zu beobachten, ohne Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Endlich war Doyle seinem plumpen, ungeschickten Körper entkommen. In diesem Moment war er ein schwarzer Engel, der über den Kindern schwebte und beobachtete, wie drei kleine Jungen den Spielplatz verließen.
Die chinesischen Großeltern packten ihre Sachen zusammen, und Ana warf einen Blick auf ihre Armbanduhr. Es war schon fast fünf Uhr. Sie würde die Jungen noch ein paar Minuten spielen lassen, aber dann müsste sie nach Hause, um das Abendessen vorzubereiten. Cesar spielte immer noch mit dem blonden Mädchen, und Roberto war mit zwei anderen Jungs in seinem Alter zum Parkgebäude hinübergelaufen. Sie drückten sich auf der Schwelle des Haupteingangs herum und schauten wahrscheinlich ein paar älteren Jungen beim Basketball zu.
Am Rand ihres Gesichtsfeldes flog etwas durch die Luft. Als sie den Kopf hob, entdeckte sie ein großes Insekt, das direkt über den Schaukeln schwebte. Wie nannte man das Tier gleich? Libelle . In Brasilien hieß es tira-olhos – Augendieb.
Als die Libelle davonschoss, kam Cesar mit dem Mülllaster zu ihr. »Kaputt«, sagte er und hielt das Spielzeug in die Höhe.
»Nein, ist schon gut. Das kann ich reparieren.«
Ana drehte den Laster um und fing an, den Sand aus der Kippmechanik zu kratzen. Als sie den Kopf wieder hob, waren Roberto und einer der beiden Jungen verschwunden. Der andere stand immer noch im Eingang zum Backsteinbau.
Der Junge kam wieder heraus, nur Roberto blieb verschwunden. Ungefähr eine Minute verstrich, bis der Angstschalter in Anas Hirn sich umlegte. Sie stand auf und bat ein blondes Kindermädchen, Cesar für einen Moment im Auge zu behalten. Dann ging sie an den Schaukeln vorbei bis zum Grasstreifen. Die beiden kleinen Jungen, die im Eingang des Parkgebäudes gestanden hatten, kamen ihr entgegen, aber als sie fragte: »Wo ist Roberto? Wo ist mein Sohn?«, zuckten sie die Achseln, als hätten sie den Namen nie gehört.
Sie erreichte die Schwelle des Gebäudes und spähte hinein. Die Basketballhalle war mit glänzendem Parkett und zwei Körben ausgestattet – eine große Höhle, deren nackte Wände das Echo zurückwarfen. Zwei Halbfeldspiele waren im Gange; das erste bestritten zwei Teams aus El Salvador, beim zweiten traten Teenager mit buschigen Haaren und wild bedruckten T-Shirts gegeneinander an.
»Haben Sie meinen Sohn gesehen?«, sprach Ana einen älteren Salvadorianer an. »Einen kleinen Jungen mit einer blauen Jacke?«
»Tut mir leid, ich habe niemanden gesehen«, sagte der Mann. Aber sein dünner Mitspieler hörte zu dribbeln auf und kam näher.
»Er ist vor ein paar Minuten durch die Tür da hinten. Da draußen gibt es einen Trinkbrunnen.«
Ana eilte über die Mittellinie des Basketballfelds, während rechts und links von ihr weitergespielt wurde. Sie verließ die Halle auf der Nordseite
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