Traveler - das Finale
Wannen geschüttet und dann mit Schubkarren zum Veredelungsschuppen gebracht.
Im Schuppen brannte Licht, und Maya konnte fröhliche
Musik aus einem Fernsehgerät hören. Sie presste sich den Flintenschaft an die Schulter, dann trat sie gegen die Tür. In der Mitte des Raumes standen Klappliegen. Im Fernseher, der auf einem Tisch stand, lief ein Tiervideo. Ein paar Schritte daneben lag ein zweiter Toter, Mund und Augen weit aufgerissen.
»Hier waren nur zwei Männer im Einsatz?«
Boone nickte. »Vielleicht hat Doyle die Kinder in die Wüste gebracht.«
»Das glaube ich nicht. Es ist dunkel. Falls sie weglaufen, kann er sie nicht wieder einfangen. Wir gehen in die Mine.«
Sie verließen den Schuppen und folgten dem Verlauf schmaler Gleise, auf denen früher die Loren gefahren waren. Nahe dem Berggipfel hatte man über dem Mineneingang ein Gerüst aus Stahlträgern errichtet. Mittels einer elektrisch betriebenen Seilwinde ließ sich ein vergitterter Käfig in den Minenschacht absenken. Als die Mine noch in Betrieb gewesen war, wurden die Loren unter Tage gefüllt, in den Käfig geschoben und heraufgezogen.
»Das Ding funktioniert wie ein Lastenaufzug?«
»Genau«, sagte Boone. »Wenn er die Kinder in den Stollen gebracht hat, können sie nicht fliehen. Und wir haben keine Möglichkeit, sie da rauszuholen.«
»Warum sagen Sie das?«
»Wenn wir den Käfig raufholen, wird Doyle die elektrische Seilwinde hören. Er wird die Kinder umbringen, noch bevor wir unten sind.«
Maya entfernte sich vom Mineneingang und fing an, das Gelände abzusuchen. »Haben Sie Der Weg des Schwertes gelesen, das Buch von Sparrow?«
Boone nickte.
»Darin gibt es ein Kapitel zur Einschätzung des Feindes. Der schwächste Gegner ist immer der, der sich seines Sieges gewiss ist.«
»Und Sie würden Martin Doyle in diese Kategorie einordnen?«
Maya hob einen alten, ölverschmierten Lappen auf. »Er wartet auf das Geräusch der Seilwinde, aber er wird es nicht hören.«
Sie zerriss den Lappen, schlang sich den Trageriemen der Pumpgun um die Schulter und machte sich daran, an den Stahlholmen hochzuklettern. Sie umwickelte ihre Hände mit den Lumpen und klammerte sich am Stahlseil fest.
»Ich komme mit«, sagte Boone.
»Das ist nicht nötig.«
»Es liegt in meiner Verantwortung.«
Maya ließ sich wenige Meter hinabrutschen. Stopp. Und noch ein Stückchen. Stopp. Vor einem Jahr hatte sie ihren Vater in Prag besucht und in einer Gasse einen Mann erstochen. Seither wurde ihr Leben von unsichtbaren Kräften bestimmt, und Maya hatte das Gefühl, in eine geheime Unterwelt hinabzusteigen. Irgendwo da unten sahen Unschuldige ihrem Ende entgegen.
Das Drahtseil schwang zur Seite, und beinahe verlor Maya den Halt. Sie hob den Kopf und sah, dass Boone etwa zehn Meter über ihr hing und sich abwärtsgleiten ließ. Maya versuchte, schneller zu rutschen, und klemmte sich das Kabel zwischen die Füße, um nicht die Kontrolle zu verlieren.
Als sie das Dach des Käfigs erreicht hatte, hielt sie inne, immer auf Doyles Angriff gefasst. Da nichts passierte, kletterte sie in den Hauptstollen der Mine hinunter. Die verstaubten Glühbirnen, die an einem langen, orangefarbenen Kabel hingen, verströmten ein diffuses Licht. Der Stollen erstreckte sich in zwei Richtungen, und von links konnte Maya etwas hören. Zittrige Kinderstimmen sangen ein Lied:
»Wenn du fröhlich bist,
dann klatsche in die Hand …«
Die Pumpgun dicht an die Brust gedrückt, schlich Maya durch den Stollen ins Herz des Bergs hinein. Die kleinen Hände klatschten. Stimmen sangen. Dann hörte sie eine Männerstimme, die durch den Steintunnel hallte: »Lauter! Und alle zusammen, noch lauter!«
Als Maya um die Biegung kam, sah sie die Kinder. Vor ihnen stand ein Mann in der Pose eines mit der Darbietung unzufriedenen Chorleiters. Die Kinder beobachteten gehorsam und mit angstverzerrtem Gesicht, wie er mit beiden Händen den Takt angab:
»Wenn du fröhlich bist, dann klatsche,
wenn du fröhlich bist, dann klatsche …«
»Hier wird nicht geklatscht«, sagte Maya. Doyle zog eine Pistole und wirbelte auf dem Absatz herum, aber Maya hatte schon geschossen. Die Kugeln rissen ihn um, und er brach auf dem Boden zusammen. Sein Körper zuckte und entspannte sich dann. Die böse Macht, die ihn durch die Welt getrieben hatte, versiegte und ließ nichts als eine tote Hülle zurück.
Maya stand wie erstarrt da, bis einige Kinder zu weinen anfingen. Ihre Tränen und ihre erschreckten Gesichter
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