Traveler - das Finale
dem Kendo-Schwert, versuchte sie, immer auf alles gefasst zu sein, ohne das Verhalten ihres Gegners zu antizipieren.
Im Kampf mochte sie funktionieren, aber auf den Rest ihres Lebens ließ sich die Taktik nur schwer übertragen. Seit dem Tod ihres Vaters hatte Maya sich gefragt, wie es sein würde, Nathan Boone eines Tages gegenüberzustehen. In ihren Fantasien war Boone für gewöhnlich schwach oder verletzt. Dann gestand er seine zahlreichen Verbrechen und flehte um Gnade.
Aber nun saß der echte Nathan Boone mitten in einer Hotelsuite an einem gläsernen Sofatisch mit Blumengesteck. Der Sicherheitschef der Evergreen Foundation wirkte kein bisschen schwach oder verängstigt. Er ignorierte die Harlequins und beantwortete Gabriels Fragen.
»Dann haben Sie diesen Doyle also in Thailand ausfindig gemacht und in die Staaten zurückgeholt?«
»Das ist korrekt.«
»Und er hat vierzehn Kinder ermordet?«
»Nein – die Kinder sind noch am Leben. Ich habe zwei Mitarbeiter meines Teams damit beauftragt, sie in die Mohave-Wüste zu bringen. Dort haben wir in der Nähe von Rosamond ein Gelände mit einer stillgelegten Goldmine angemietet.«
»Aber Sie hatten vor, sie irgendwann zu ermorden«, sagte Priest.
»Ich war mir nicht sicher. Diese Situation ist für mich sehr ungewohnt.«
»Aber eins ist verdammt sicher – Sie hätten sie nie und nimmer freigelassen.« Priest sah Gabriel fragend an, so als wollte er sagen: Bitte, lass mich das Schwein umbringen , aber der Traveler war ganz auf Boones Augen konzentriert.
»Ich weiß, warum Sie den Befehl nicht gegeben haben«, sagte Gabriel. »Sie wollten nicht, dass diese Kinder sterben wie Ihre Tochter.«
»Wer hat Ihnen das erzählt?«
»Die Geschichte stand in allen Zeitungen. Der getrennt lebende Ehemann von Jennifers Klassenlehrerin ist in die Schule gekommen und hat seine Frau erschossen. Dann hat er alle Kinder ermordet, die zufällig in ihrer Nähe standen.«
Boone atmete schwer. »Er hat seine Frau gehasst. Aber warum hat er die Kinder erschossen? Meine Tochter war unschuldig.«
»Ein Jahr nach dem Vorfall sind Sie der Bruderschaft beigetreten«, sagte Gabriel. »Entweder haben Sie die Stiftung kontaktiert – oder die Stiftung Sie.«
»Ich bekam einen Anruf von Kennard Nash, und dann lud man mich nach New York ein. Die kannten meine Militärakte und wussten von meiner Tätigkeit beim Geheimdienst. Nash zeigte mir das Modell des Panopticon und erläuterte mir die Funktionsweise. Er sagte, meine Tochter könnte noch am Leben sein, wenn alles überwacht und kontrolliert würde. Der General hat mir einen Auftrag erteilt, und ich habe mich an die Arbeit gemacht. Eins müssen Sie verstehen … Ich habe mich immer an meine Befehle gehalten.« Die letzten Worte sprach Boone aus, als bete er einen Katechismus herunter.
»Ihre Tochter wurde ermordet«, sagte Maya, »und dann haben Sie diesen Mann angeheuert, Martin Doyle, um noch mehr Kinder zu ermorden?«
»Nein, seinetwegen müssen Sie mich gehen lassen! Ich
fürchte, Doyle ist auf dem Weg in die Wüste, um seinen Auftrag zu einem Ende zu bringen.«
Gabriel wandte sich zu Maya um. »Du fährst mit Boone nach Rosamond. Vielleicht kannst du die Kinder retten.«
»Gabriel, vielleicht lügt er. Wir wissen nicht einmal, ob dieser Martin Doyle überhaupt existiert.«
»Wir fahren zum Culver Hotel. Falls die Geschichte stimmt, rufe ich dich an. Du wirst innerhalb der nächsten zwanzig Minuten erfahren, ob Boone die Wahrheit sagt.« Gabriel drehte sich zu Priest um. »Und du wirst mir helfen, meinen Bruder zu finden, und dann wirst du dich um seine Leibwächter kümmern.«
Maya ging ins Schlafzimmer, riss das Laken vom Bett und wickelte die Pumpgun darin ein. Sie überlegte kurz, Gabriel hereinzurufen und ihm ihr Geheimnis zu beichten, aber den Gedanken schlug sie sich schnell wieder aus dem Kopf. Sie würde sich mit dem Mann, der ihren Vater ermordet hatte, auf die Reise machen.
Boone und Maya gingen auf den Parkplatz und stellten sich neben den Mietwagen. »Ich fahre«, sagte er. »Sie können sich hinter mich setzen und mich erschießen, wann immer es Ihnen passt. Am günstigsten wäre der Augenblick, in dem wir die Mine erreichen.«
Maya wartete, bis Boone am Steuer saß, dann setzte sie sich auf die Rückbank und legte die Pumpgun neben sich. Sie zog Boones Automatik heraus und entsicherte sie. Sie ärgerte sich darüber, dass er richtiglag – der günstigste Augenblick wäre tatsächlich gekommen,
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