Traveler - das Finale
gesorgt.«
»Und Sie waren mit ihm befreundet?«
»Ich kannte ihn schon, bevor er sich einen Harlequinnamen zulegte. Schon in der Schule war er stets der Mutige und ich der Feigling.«
Kotani schwieg, als der Barkeeper Hollis eine warme Sakeflasche und eine Porzellantasse brachte. Die Stereoanlage spielte ein Stück von Miles Davis’ Album Kind of Blue.
»Hören Sie, ich muss …«
»Ich weiß, was Sie wollen. Sparrow sagte immer, ein Harlequin brauche ›ein Pferd, eine Schriftrolle, einen Beutel voll Geld und ein Schwert‹. Es ist wenig angeraten, in Japan mit einem Schwert herumzulaufen, es sei denn, man geht zum Kendo . Aber ich denke, eine Schusswaffe kann ich besorgen.«
»Von den Yakuza?«
Kotani schüttelte den Kopf. »Die Yakuza haben Sparrow ermordet. Sie arbeiten als Söldner für die Tabula und die Machthaber in diesem Land. Sie würden niemals einen Harlequin unterstützen.«
»Was ist mit den Jamaikanern vor den Nachtclubs?«
»Allesamt Gaijin mit abgelaufenem Visum. Wenn Sie die nach einer Waffe fragen, werden sie Sie an die Polizei verraten. Sie brauchen jemanden, der zum Gesetz ein sportliches Verhältnis hat. Es gibt hier viele Japaner, die in Peru oder Brasilien zur Welt gekommen sind. Sie sehen aus und reden wie alle anderen, aber sie haben einen anderen Blick auf die Welt. Mein Vermieter Senzo ist einer von ihnen. Er kennt einen Mann, der eine Waffe besitzt. Sie können Sie heute Abend für zweihunderttausend Yen kaufen. Haben Sie Geld dabei?«
Hollis nickte. »Werden sie hierherkommen?«
»Wir treffen sie in einem Liebeshotel in Shibuya. Dort sind
wir ungestört. Niemand wird uns sehen.« Kotani streckte die Hand aus. »Ich brauche mein Telefon zurück.«
Er wählte eine Nummer und sprach auf Japanisch ein paar Sätze ins Handy. »Alles ist in Ordnung«, sagte er, nachdem er das Gerät ausgeschaltet hatte. »Wir treffen uns in einer Stunde.«
Hollis nippte am warmen Sake, während Kotani sich noch mehr Wodka aus der Eisflasche einschenkte. »Warum sind Sie in Tokio?«, fragte er. »In Japan gibt es keine Traveler mehr. Nach Sparrows Tod wurden sie alle ermordet. Japan muss nicht länger auf das System vorbereitet werden – es ist längst installiert.«
»Ich bin auf der Suche nach einer Frau, die mit den Toten spricht. Thorn hat sie bei einem Japanbesuch kennen gelernt. Sie ist eine Geisterbeschwörerin.«
»Ja. Eine Itako. Die Frau, die Thorn damals getroffen hat, lebt im Norden.«
»Wie kann ich sie finden?«
Kotani goss sich Wodka nach. Sein Gesicht war gerötet, er redete langsam und war ganz auf seine Artikulation konzentriert. »Sparrow und ich sind zu der Itako gefahren. Sie sagte, Sparrow werde durch Feigheit und ich durch Mut umkommen.«
»Hatte sie Recht?«
»In meinem Fall nicht. Aber Sparrow wurde tatsächlich von einem Feigling getötet. Ein Yakuza schoss ihm in den Rücken.«
»Ich will sie treffen.«
Der Buchhändler zog eine Quittung und einen Kugelschreiber aus der Innentasche seines Tweedjacketts. Er kritzelte japanische Schriftzeichen auf den Zettel und schob ihn über den Tisch. »Sie heißt Mitsuki. Fahren Sie mit dem Zug bis nach Hachinohe und zeigen Sie den Leuten dort diesen Zettel. Sie werden einen Dolmetscher brauchen. Am Sonntagnachmittag
gehen wir in den Yoyogi-kōen. In dem Park treffen sich die verschiedenen Stämme, die zoku . Ein ehemaliger Schüler von mir wird dort sein, Hoshi Hirano. Er tanzt am liebsten zu Rock’n Roll. Falls er Ihren Plan aufregend genug findet, wird er Sie in den Norden begleiten.« Lächelnd hob Kotani sein Glas. »Hoshi ist ein Rebell auf der Suche nach einer Aufgabe.«
»Sie kommen nicht mit?«
»Auf keinen Fall.« Kotani erhob sich mühsam und warf dabei fast seinen Stuhl um. »Die Itako spricht zu den Geistern. In meinem Leben gibt es schon zu viele davon.«
Sie verließen die Bar, stoppten ein Taxi und ließen sich in den Shibuya-Distrikt bringen. Kotani hielt die Augen geschlossen und ließ den Kopf ins Polster sinken. Der Wodka hatte ihm geholfen, seine Angst zu überwinden.
»Was war Sparrow für ein Mensch?«, fragte Hollis. »Können Sie ihn beschreiben?«
»Während seines letzten Lebensjahres hat er gewusst, dass die Yakuza ihn töten würden. Dieses Wissen machte ihn sanft und gütig – außer beim Kampf. Ich arbeitete als Lehrer an einer Schule. Sparrow war oft bei mir zuhause und half mir, die Klassenarbeiten zu korrigieren. Danach besuchten wir die Nirvana-Bar und beobachteten den
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