Traveler - das Finale
einrichtet und auf seine Aktivierung wartet.«
»Und dann?«, fragte Maya.
Der Nachtfalke legte den Steuerhebel um und wirbelte um die eigene Achse wie ein Verrückter. Plötzlich hielt er inne und fing an zu lachen. »Dann passiert etwas Fantastisches. Dann bekommt der Traveler eine Riesenchance.«
Zwanzig Minuten später verließen sie das Studentenwohnheim und liefen zum Russell Square zurück. Inzwischen war es nach fünf Uhr nachmittags, und die Straßen waren voller Menschen, die von der Arbeit kamen. Vor dem Eingang zur U-Bahn-Station Russell Square drängten sich die Leute, und Maya fiel es zunehmend schwer, das Gefahrenpotenzial eines jeden entgegenkommenden Passanten abzuschätzen. Sie hatte das Gefühl, in eine Strömung gefallen zu sein, die sie an den Zeitungskiosken vorbei auf den Russell Square spülte. Sie legte den Kopf in den Nacken und sah die Cherubinen, die in die Steinfassade des Hotels gemeißelt waren. Sie waren von Ruß überzogen und vom Zahn der Zeit angenagt und schienen verärgert auf die Bürger und Drohnen herunterzustarren.
Maya zog ihr Handy aus der Tasche und rief Winston an. »Das Treffen ist vorbei. Kommen Sie zur Westseite des Parks.«
Die Spannung, die sie in der Menge gespürt hatte, schien sich noch zu steigern, als sie die Straße am Park überquerten. An der Ecke stand eine Reihe roter, altmodischer Telefonzellen. Ein Mann mit einer Lederjacke beobachtete sie durch das gestreifte Glas hindurch, während er sich den Hörer ans Ohr presste. Bereiteten die Tabula einen Angriff vor? Thorn hatte ihr eingeschärft, dass die Gefahr unmittelbar nach einem Treffen am größten war, wenn alle sich entspannten und nur noch an den Heimweg dachten.
Als sie weiterschlenderten, bemerkte Maya, dass der Mann mit der Lederjacke die Telefonzelle verlassen hatte. Anscheinend folgte er ihnen und bildete zusammen mit einem Obdachlosen auf einer Bank und einem Parkarbeiter, der neben dem Brunnen Abfall zusammenkehrte, ein Dreieck.
Eine leise Stimme in ihrem Kopf flüsterte: Keine Sorge, alles ist in Ordnung. Aber auf einmal hatte London sich in die dunkle Stadt aus der Ersten Sphäre verwandelt. Hier regierten
Hass, Angst und Schmerz. Maya war von Feinden umzingelt, die ihr nach dem Leben trachteten. Maya ließ die Tasche sinken, steckte die Hand hinein und entsicherte die Pumpgun. Die Munitionstrommel war voll. Ziel und drück auf den Abzug, dachte sie. Sofort .
ZWANZIG
G ib mir das Gewehr«, sagte Gabriel. Als Maya zögerte, stellte er sich vor sie und sah ihr direkt in die Augen, damit sie seine Kraft spüren konnte. »Ist schon gut …« Langsam streckte er die Hand aus, so als wollte er eine Bombe entschärfen, und nahm ihr die Waffe weg.
»Sie werden uns töten«, flüsterte Maya.
»Wovon redest du?«
»Siehst du den Mann auf der Bank und die beiden am Brunnen? Söldner der Tabula!«
»Nein, Maya, du irrst dich. Es besteht kein Grund zur Sorge.«
Gabriel ging weiter, und Maya folgte ihm. Er konnte nicht abschätzen, ob irgendjemand sie beobachtet hatte. Vielleicht wirkten sie auf die Außenstehenden wie ein streitendes Liebespaar. Sie erreichten die Straße im Westen des Parks, aber Winston war nirgends zu sehen. Mayas Kopf ruckte hin und her, als seien sie von Feinden umzingelt. Endlich bog der weiße Lieferwagen um die Ecke. Gabriel winkte hektisch.
»Sie werden uns verfolgen«, sagte Maya.
Der Lieferwagen hielt am Randstein, und Gabriel riss die Seitentür auf. »Nein, das wird nicht passieren. Die Leute im Park sind harmlose Bürger.«
Sie kletterten auf die Rückbank. Maya sah verwirrt und unglücklich aus, so als hätte sie schlecht geträumt. Als sie den Camden Market erreicht hatten, parkte Winston an der Straße. Der Besitzer des Trommelladens spürte, dass etwas schiefgelaufen war, aber die wenigen Monate mit Linden und Mother
Blessing hatten ihn übervorsichtig werden lassen. Er wartete ein paar Minuten ab, bevor er einen Blick in den Rückspiegel warf und seine Fahrgäste zaghaft ansprach.
»Vielleicht sollten wir jetzt in den Laden gehen und in Ruhe eine Tasse Tee trinken?«
»Lassen Sie uns bitte allein, Winston. Maya und ich möchten uns unterhalten.«
Winston stieg aus, und Maya und Gabriel blieben auf der Rückbank sitzen und lauschten dem Verkehrslärm. Als Gabriel versuchte, ihre Hand zu nehmen, stieß Maya ihn weg.
»Wirst du Linden erzählen, was passiert ist?«
»Wozu sollte ich?«
»Ich bin wohl keine gute Leibwächterin, wenn ich mitten auf dem
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