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Traveler - Roman

Traveler - Roman

Titel: Traveler - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm-Goldmann-Verlag <München>
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Januar und draußen wirklich kalt. Da kam Minerva durch die Schwingtür geflogen. Sie schrie und blinzelte, weil das Licht sie blendete.

    Das war schon ein paarmal passiert, wenn der Hund der Stevensons gegen die Angelschnur gelaufen war. Ich zog meine Stiefel an und ging hinaus, um den Hund zu suchen. Als ich um die Hausecke bog und den Hügel runterschaute, sah ich vier Männer aus dem Fichtenwäldchen auftauchen. Alle trugen dunkle Kleidung und Gewehre. Sie wechselten ein paar Worte, trennten sich und begannen, den Hügel hinaufzulaufen.«
    »Söldner der Tabula«, sagte Maya.
    »Ich weiß nicht, wer sie waren. Ein paar Sekunden lang war ich unfähig, mich zu rühren. Dann rannte ich ins Haus und warnte meine Familie. Vater ging nach oben ins Schlafzimmer und kam mit einem Sportbeutel und dem Jadeschwert zurück. Er gab mir das Schwert, meiner Mutter den Beutel. Dann drückte er Michael die Flinte in die Hand und befahl uns, zur Hintertür rauszugehen und uns im Vorratskeller zu verstecken.
    ›Was ist mit dir?‹, fragten wir.
    ›Geht in den Vorratskeller und wartet dort‹, wies er uns an. ›Kommt erst heraus, wenn ich es euch sage.‹
    Mein Vater griff nach seinem Gewehr. Wir nahmen den Hinterausgang und liefen am Zaun entlang, damit wir im Schnee keine Fußabdrücke hinterließen. Ich wollte bleiben und ihm helfen, aber Mutter bestand darauf, dass ich mitkam. Als wir uns im Garten befanden, hörte ich einen Schuss und den Schrei eines Mannes. Es war nicht die Stimme meines Vaters, da bin ich mir sicher.
    Der Vorratskeller war nichts weiter als ein Sammelplatz für altes Werkzeug. Michael zog die Falltür auf, und wir kletterten über die Treppe in den Keller. Die Tür war so verrostet, dass Michael sie nicht mehr richtig schließen konnte. Wir saßen zu dritt auf einem Betonsims im Dunkeln. Eine Zeit lang hörten wir Gewehrschüsse, dann war alles still. Als ich aufwachte, fiel Sonnenlicht durch den Türspalt.
    Michael stemmte die Tür auf, und wir folgten ihm nach
draußen. Haus und Scheune waren abgebrannt. Minerva zog über uns Kreise, so als suchte sie etwas. Über den Platz verstreut lagen vier tote Männer, jeweils etwa zwanzig Meter voneinander entfernt. Das Blut hatte den Schnee unter ihnen geschmolzen.
    Meine Mutter setzte sich auf den Boden, schlang die Arme um die Knie und begann zu weinen. Michael und ich schauten nach, was vom Haus übrig geblieben war. Von unserem Vater keine Spur. Ich sagte zu Michael, dass die Männer ihn nicht getötet hatten. Er war geflohen.
    Michael meinte: ›Vergiss es. Wir sollten von hier verschwinden. Du musst mir mit Mama helfen. Wir gehen zu den Tedfords und leihen uns ihren Transporter.‹
    Er ging noch einmal in den Vorratskeller, um das Jadeschwert und den Sportbeutel zu holen. Wir warfen einen Blick in den Beutel und sahen, dass er mit gebündelten Hundertdollarscheinen voll gestopft war. Mutter saß immer noch im Schnee, weinte und redete leise mit sich selbst, wie eine Verrückte. Wir nahmen die Waffen und den Beutel und brachten sie zur Farm der Tedfords. Michael hämmerte gegen die Tür und weckte Don und Irene. In Bademänteln kamen sie die Treppe herunter.
    Ich hatte Michael in der Schule hunderte Male lügen hören, aber niemand glaubte ihm je. Diesmal schien er selbst überzeugt zu sein, die Wahrheit zu sagen. Er erzählte den Tedfords, mein Vater sei Soldat gewesen und von der Armee desertiert. Letzte Nacht hätten Agenten der Regierung unser Haus niedergebrannt und ihn getötet. In meinen Ohren klang das vollkommen irre, aber dann fiel mir ein, dass der Sohn der Tedfords im Krieg gefallen war.«
    »Eine raffinierte Lüge«, sagte Maya.
    »Sie haben Recht. Es funktionierte. Don Tedford lieh uns seinen Transporter. Michael war schon seit einigen Jahren auf dem Farmgelände Auto gefahren. Wir luden die Waffen und
den Beutel ein und machten uns auf den Weg. Mutter lag auf dem Rücksitz. Nachdem ich sie zugedeckt hatte, schlief sie ein. Als ich aus dem Fenster schaute, sah ich Minerva, die hoch am Himmel ihre Kreise zog …«
    Gabriel verstummte, und Maya starrte an die Zimmerdecke. Auf dem Highway näherte sich ein Truck. Sein Scheinwerferlicht fiel durch die Jalousien. Wieder Dunkelheit. Schweigen. Die Schatten um sie herum schienen an Substanz und Gewicht zu gewinnen. Maya hatte das Gefühl, als lägen sie am Boden eines tiefen Swimmingpools.
    »Und was geschah dann?«, fragte sie.
    »Ein paar Jahre ließen wir uns durch die Gegend treiben. Dann

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