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Traveler - Roman

Traveler - Roman

Titel: Traveler - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm-Goldmann-Verlag <München>
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heiß.
    Nach zwanzig Minuten vorsichtiger Fahrt erreichten sie einen Stacheldrahtzaun mit einem kaputten Tor. »Den Rest müssen wir zu Fuß gehen«, sagte Antonio, und die drei stiegen aus. Sie nahmen die Essenssäcke von der Ladefläche, schlüpften durch ein Loch im Tor und liefen weiter die Straße entlang.
    Gabriel entdeckte in der Ferne Antonios Windrad. Durch die flimmernde Hitze kam es ihm so vor, als schwankte der Turm. Plötzlich überquerte direkt vor ihnen eine Schlange den Weg. Sie war knapp einen Meter lang, hatte einen rundlichen Kopf und schwarze Haut mit cremefarbenen Streifen. Maya blieb stehen und griff nach ihrem Schwertköcher.
    »Sie ist nicht giftig«, sagte Gabriel. »Ich glaube, es ist eine Strumpfband- oder Kiefernnatter. Eigentlich sind das ziemlich scheue Tiere.«
    »Es ist eine Königsnatter«, erklärte Antonio. »Und scheu sind Schlangen hier bestimmt nicht.«
    Sie gingen weiter und sahen eine zweite Königsnatter über den Boden gleiten, und dann eine dritte, die sich auf der Straße zu sonnen schien. Bei allen war die Haut schwarz, aber die Farbe der Streifen unterschiedlich. Weiß. Cremefarben. Hellgelb.
    Andauernd trafen sie auf weitere Schlangen, und Gabriel hörte auf, sie zu zählen. Dutzende von Reptilien lagen zusammengerollt da, bewegten sich schlängelnd vorwärts oder schauten sich mit ihren kleinen schwarzen Augen um. Maya wirkte nervös, fast ängstlich.
    »Mögen Sie Schlangen nicht?«
    Sie ließ den Arm sinken und versuchte, sich zu entspannen. »Es gibt in England nicht besonders viele.«
    Als sie sich dem Windrad näherten, stellte Gabriel fest, dass es neben einem rechteckigen Betonsockel errichtet war, der etwa die Größe eines Football-Feldes hatte. Er wirkte wie ein
riesiger ehemaliger Maschinengewehrbunker. An der Südseite des Sockels stand ein kleiner Wohnwagen, dessen Aluminiumhülle das Licht der Wüstensonne reflektierte. Über einem hölzernen Picknicktisch und ein paar Plastikcontainern mit Werkzeugen und Lebensmittelvorräten war ein Fallschirm aufgespannt und erfüllte die Funktion eines Sonnensegels.
    Die Wegweiserin kniete am Fuß des Windrads und schweißte eine Stützstrebe an den Turm an. Sie trug Jeans, ein langärmliges Karohemd, dicke Lederhandschuhe und auf dem Kopf einen Schweißerhelm. Es war, als konzentrierte sie sich voll und ganz auf die Flamme, durch die sie die beiden Metallstücke miteinander verband.
    Eine mehr als einen Meter lange Schlange glitt vorüber und streifte fast Gabriels Stiefelspitze. Ihm fiel auf, dass die Erde zu beiden Seiten der Straße mit unzähligen gewundenen Linien übersät war.
    Als sie sich dem Windrad bis auf zehn Meter genähert hatten, rief Antonio laut »Hallo!« und schwenkte die Arme. Die Wegweiserin hörte ihn, erhob sich und nahm den Helm ab. Sie schien über siebzig zu sein, hatte schlohweiße Haare, eine breite Stirn und eine gerade Nase. Ihr Gesicht vermittelte den Eindruck großer Stärke, gepaart mit dem Fehlen jeglicher Sentimentalität.
    »Guten Morgen, Antonio. Wie ich sehe, hast du zwei Besucher mitgebracht.«
    »Dr. Briggs, das ist Gabriel Corrigan. Er ist der Sohn eines Traveler und will wissen, ob –«
    »Ja. Natürlich. Willkommen.« Die forsche Stimme der Wegweiserin verriet ihre Herkunft aus Neuengland. Sie zog den rechten Handschuh aus und schüttelte Gabriel die Hand. »Sophia Briggs.« Ihre Finger waren kräftig, und der Blick aus ihren blau-grünen Augen durchdringend und kritisch. Gabriel hatte das Gefühl, taxiert zu werden. Dann wandte sie sich von ihm ab. »Und Sie sind …«

    »Maya. Eine Freundin von Gabriel.«
    Dr. Briggs’ Blick fiel auf die schwarze Metallröhre, die Maya über der Schulter hängen hatte, und ihr war anscheinend sofort klar, was sie enthielt. »Sehr interessant. Ich dachte, alle Harlequins wären bei irgendwelchen selbstmörderischen Aktionen umgebracht worden. Sie kommen mir ein bisschen zu jung für Ihr Gewerbe vor.«
    »Und Sie mir ein bisschen zu alt.«
    »Schlagfertig. Widerspruchsgeist. Das gefällt mir.« Sophia ging zum Wohnwagen und warf ihre Schweißerausrüstung in einen auf dem Boden stehenden Plastikcontainer für Milchflaschen. Durch den Lärm aufgeschreckt, kamen zwei große Königsnattern unter dem Wohnwagen hervor und schlängelten sich in Richtung Windrad.
    »Willkommen im Land der Lampropeltis getulus, der gewöhnlichen Königsnatter. Aber natürlich ist sie alles andere als gewöhnlich. Sie ist mutig, schlau, äußerst

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