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Traveler - Roman

Traveler - Roman

Titel: Traveler - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm-Goldmann-Verlag <München>
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Paragliding.«
    »Ich tischlere Möbel«, sagte Antonio. »Es ist, als würde man Kunstwerke schaffen, die außerdem einen praktischen Nutzen haben. Der Tisch hier ist zum Beispiel von mir.«
    »Ich lerne Cello spielen«, sagte Rebecca. »Mein Lehrer lebt in Barcelona. Mit Hilfe einer Webcam kann er mir beim Üben zuhören und zusehen.«
    »Ich verbringe viel Zeit im Internet und tausche mich mit anderen Leuten aus«, sagte Martin. »Etliche davon sind Freunde geworden und zu uns nach New Harmony gezogen. Wir sind inzwischen einundzwanzig Familien.«
    »New Harmony hilft anderen, Informationen über das System zu verbreiten«, erklärte Rebecca. »Vor ein paar Jahren wurde vom Weißen Haus vorgeschlagen, einen so genannten Protective-Link-Ausweis einzuführen. Der Antrag wurde im Kongress abgelehnt, aber wir haben erfahren, dass einige große Firmen inzwischen einen solchen Chip als Firmenausweis benutzen. In ein paar Jahren wird die Regierung den Vorschlag erneut präsentieren und ihn durchsetzen.«
    »Aber Sie haben nicht wirklich mit dem modernen Leben gebrochen«, sagte Maya. »Sie benutzen Computer und Strom.«

    »Und moderne Medizin«, fügte Joan hinzu. »Ich berate mich mit Kollegen in Diskussionsforen im Internet, und für den Fall schwerer Erkrankungen haben wir eine Basiskrankenversicherung für uns alle abgeschlossen. Ich weiß nicht, ob es an der vielen körperlichen Betätigung, am gesunden Essen oder am fehlenden Stress liegt, aber hier ist nur selten jemand krank.«
    »Wir wollten nicht der Welt entfliehen und wie Bauern im Mittelalter leben«, erklärte Martin. »Unser Ziel war, selbstbestimmt zu leben und zu beweisen, dass der Dritte Weg wirklich funktioniert. Es gibt inzwischen ähnliche Siedlungen wie New Harmony – dieselbe Mischung aus High-tech und Low-tech  – und alle sind via Internet vernetzt. Erst vor zwei Monaten ist eine neue Gemeinschaft in Kanada gegründet worden.«
    Gabriel hatte eine Weile geschwiegen, aber die ganze Zeit Martin nicht aus den Augen gelassen. »Eine Frage«, sagte er nun. »Wie hieß der Traveler?«
    »Matthew.«
    »Und sein Nachname?«
    »Den hat er nie genannt«, antwortete Martin.
    »Besitzen Sie ein Foto von ihm?«
    »Ja, ich glaube, wir haben irgendwo eins.« Rebecca stand auf. »Ich geh es suchen.«
    »Nicht nötig«, meinte Antonio. »Ich hab eins bei mir.«
    Er holte aus seiner Gesäßtasche ein dickes ledernes Notizbuch, in dem lose Zettel, alte Quittungen und Bauskizzen steckten. Er legte das Buch auf den Tisch, blätterte es durch und stieß zwischen zwei Seiten auf ein kleines Foto.
    »Meine Frau hat es aufgenommen, vier Tage bevor der Traveler verschwunden ist. Er hat an dem Abend bei uns gegessen.«
    Antonio nahm das Foto vorsichtig zwischen zwei Finger, so als wäre es eine kostbare Reliquie, und gab es Gabriel, der es lange schweigend anstarrte.

    »Wann ist das aufgenommen worden?«
    »Vor acht Jahren.«
    Gabriel sah zu ihnen hoch. In seiner Miene lag Schmerz, Hoffnung und Freude. »Das ist mein Vater. Ich dachte, zu dem Zeitpunkt wäre er schon seit Jahren tot gewesen – bei einem Brand umgekommen. Aber da ist er, sitzt direkt neben Ihnen.«

VIERZIG
    G abriel saß unter dem sternklaren Nachthimmel und betrachtete das abgegriffene Foto seines Vaters. Mehr als alles andere wünschte er, Michael wäre bei ihm. Die beiden Brüder hatten vor den verkohlten Überresten des Bauernhauses in South Dakota gestanden. Sie waren kreuz und quer durchs Land gezogen und hatten einander nachts, wenn ihre Mutter schlief, flüsternd gefragt: Lebt unser Vater noch? Sucht er uns?
    Die Corrigans hatten ständig nach ihrem Vater Ausschau gehalten, hatten erwartet, ihn irgendwann an einer Bushaltestelle oder hinter den Fensterscheiben eines Cafés zu entdecken. Wenn sie in einer neuen Stadt ankamen, schauten sich die Brüder manchmal nervös und aufgeregt um. Vielleicht lebte ihr Vater hier. Vielleicht war er in ihrer Nähe, und sie bräuchten nur zwei Straßenzüge nach Westen zu fahren und dann links abzubiegen. Erst als sie sich in Los Angeles niederließen, verkündete Michael, dass sie sich keine Hoffnungen mehr machen sollten. Ihr Vater war tot oder für immer gegangen. Lasst uns die Vergangenheit vergessen und in die Zukunft blicken.
    Gabriel löcherte die vier Bewohner von New Harmony mit Fragen. Antonio und die anderen waren zwar guten Willens, konnten ihm aber kaum weiterhelfen. Sie wussten nicht, wo der Traveler sich aufhielt. Er hatte keine Adresse

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