Treffpunkt Las Vegas
adressiert, ohne Straßenbezeichnung. Da das Postamt meine Anschrift kannte, wurde der Brief mir trotzdem persönlich zugestellt.«
Im Schaufenster des neben uns befindlichen Kolonialwarenladens war die Nachtbeleuchtung eingeschaltet und hell genug, um etwas lesen zu können. Ich zog Helen vor das Schaufenster und sagte: »Zeigen Sie den Brief doch mal her.«
»Mein Gott, wenn Pug das erfährt...«
»Das geht den doch überhaupt nichts an.«
»Da haben Sie eigentlich recht. Ich habe Pug von Anfang an erklärt, daß die Beziehung zwischen ihm und mir nur rein geschäftlicher Natur sein kann. Trotzdem ist er wahnsinnig eifersüchtig und versucht ständig, ein engeres Verhältnis herbeizuführen. Aber das ist ja alles unwichtig. Er meint, für ihn stehe fest, daß es noch eine andere Helen Framley geben müsse, die sich wohl nur vorübergehend in Las Vegas aufgehalten hat. Der Brief, den ich versehentlich zugestellt bekommen habe, sei sicher nicht für mich bestimmt gewesen.«
»Wo ist der Brief?«
»Sie versprechen mir doch, daß...«
»Beeilen Sie sich doch etwas. Wir können nicht den ganzen Abend hier herumstehen.«
Sie öffnete ihre Handtasche, nahm einen Briefumschlag heraus und gab ihn mir.
Ich steckte ihn in meine Brusttasche.
»Nein, nein, das dürfen Sie nicht«, rief sie bestürzt. »Den Brief kann ich nicht hergeben. Pug wird mich danach fragen, wenn ich zurückkomme. Er wird ihn sicher verbrennen wollen.«
»Ich muß ihn in Ruhe lesen und auf besondere Hinweise überprüfen.«
»Donald, das dürfen Sie nicht! Sie können höchstens einen Blick hineinwerfen. Ich kann Ihnen ja sagen, was drinsteht. Ich... oh, mein Gott!«
Erschrocken blickte sie die Straße hinunter.
An der nächsten Straßenkreuzung stand Pug und sah sich nach allen Seiten um.
Sie ergriff zitternd meinen Arm. »Schnell! Treten Sie zurück...« Im gleichen Augenblick drehte Pug sich um und blickte die Straße entlang, in der wir standen. Er hatte uns sofort erkannt und rannte auf uns zu.
»Um Gottes willen, was sollen wir jetzt nur tun?« fragte Helen aufgeregt.
»Los, laufen Sie schnell um die Ecke, ich werde ihn so lange aufhalten, bis...«
»Nein, Donald. Das dürfen Sie nicht tun. Er ist gefährlich, halb wahnsinnig. Er...«
Ohne auf sie zu hören, nahm ich sie beim Arm und ging ihm entgegen.
Pugs Gesichtsausdruck war nicht klar zu erkennen, weil sein Hutrand die Augen überschattete. Außerdem war das Licht in unserer Straße reichlich trübe. In diesem Augenblick fuhr ein Auto auf uns zu, dessen Scheinwerfer Pugs Gesicht grell beleuchteten. Haßerfüllt blickte er uns an.
Pug sagte kein Wort. Seine Augen waren starr auf mein Gesicht gerichtet. Er griff mit der rechten Hand nach dem Mantelkragen von Helen und zerrte sie mit einem heftigen Ruck von mir fort auf die andere Seite des Bürgersteiges.
Ich holte aus und zielte nach seinem Kinn.
War es nun die schlechte Beleuchtung oder war Pug zu wütend, um darauf zu achten, was ich tat? Vielleicht hielt er es auch gar nicht der Mühe wert, mich ernst zu nehmen. Jedenfalls unternahm er nicht den geringsten Versuch, meinen Schlag abzufangen oder ihm auszuweichen. So knallte meine Faust ihm voll ans Kinn. Ganz unbewußt hatte ich auch Louies Ratschlag befolgt und mein ganzes Körpergewicht in den Schlag gelegt. Ich traf Pug so schwer, daß ich einen Augenblick das Gefühl hatte, mein Arm wäre gebrochen.
Mein Treffer reichte aber nicht einmal aus, seinen Kopf nach hinten zu werfen. Ich hätte genausogut gegen eine Mauer schlagen können. »Hinterhältiger Lockspitzel«, knurrte er mich an, und dann krachte seine Faust gegen mein Kinn.
Das war seine Linke gewesen. Ich ging augenblicklich in die Knie und wußte, daß seine Rechte gleich folgen würde. Sein nächster Schlag traf mich mit solcher Wucht, daß ich quer über den Bürgersteig in die Gosse rutschte.
Das Auto, das eben an uns vorbeigefahren war, drehte am Straßenende wieder um und fuhr auf uns zu. Ich hatte den Eindruck, der Wagen würde über uns hinwegrollen. Als ich mich erhob, kam Pug auf mich zu.
Der Wagen stoppte ruckartig. Ich hörte noch, wie eine Stimme sagte: »Das werden Sie nicht tun.«
Pug kümmerte sich jedoch nicht um den Fremden. Er fixierte nur mich. Ich glaubte, eine Lücke in seiner Deckung zu erkennen, und schlug zu.
Ein großer, breitschultriger Mann schob sich an mir vorbei. Ich hörte eine Faust gegen einen Körper schlagen, und dann wirbelten Pug und der andere Mann im Kreise herum.
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