Treffpunkt Las Vegas
das?«
»Ein Herr will Sie dringend sprechen.«
»Jetzt, mitten in der Nacht? Was, zum Teufel, will er denn?« fragte ich empört und kämpfte gegen den in mir aufkommenden Zorn.
»Knipsen Sie das Licht an«, befahl eine Kommandostimme dem Schaffner.
Ich setzte mich aufrecht und zog die Bettvorhänge zur Seite.
In der Kupeetür stand Leutnant Kleinsmith neben dem Schaffner, der vor Aufregung zitterte.
Der Zug glitt ruhig über die Geleise und gewann zunehmend an Fahrt. Hin und wieder vernahm man gedämpft das Pfeifen der Lokomotive. Einige neugierige Fahrgäste steckten ihre Köpfe aus ihrer Schlafkabine, um festzustellen, was los war.
Erstaunt blickte ich Kleinsmith an, der nun vor meinem Bett stand und fragte: »Was machen Sie denn hier? Sie werden schleunigst zurückfahren, Lam!«
»Wohin zurück?«
»Nach Las Vegas.«
»Wann?«
»Jetzt gleich.«
»Sie irren sich. Ich werde genau um acht Uhr dreißig morgens in Los Angeles sein.«
Kleinsmith schaute auf seine Uhr: »Ich bin um zwei Uhr dreißig in Yermo zugestiegen. Um drei Uhr zehn halten wir kurz in Barstow«, sagte er. »Bis dahin sind Sie angezogen und verlassen mit mir den Zug.«
»Soll das etwa die Hilfeleistung sein, die Sie mir als Äquivalent für mein anständiges Verhalten versprochen haben?«
Er setzte zu einer Antwort an, besann sich aber und sagte statt dessen: »Los, ziehen Sie sich an, Lam. Ich bin dienstlich hier und spreche amtlich mit Ihnen. Merken Sie sich das.«
»Wie sind Sie denn hierhergekommen?« fragte ich, mich dem Unabänderlichen fügend, und begann mich anzukleiden.
Der Leutnant stützte sich mit einem Ellenbogen auf den Rand des oberen Bettes und sah auf mich herab. »Flugzeug. Ein Wagen folgt dem Zug. Wir werden zurückfahren und...«
Aus dem Bett über mir ertönte wütend eine Stimme: »Warum benutzen Sie nicht ein Funksprechgerät?«
»Verzeihung!« murmelte Kleinsmith.
Auch der Schlafwagenschaffner schaltete sich nun ein. »Meine Herren, dürfte ich um etwas mehr Ruhe bitten?«
»Schon gut«, beruhigte ich ihn. »Wir werden uns leise verhalten.«
Ich zog mich schweigend an. Als ich meine Sachen zusammengepackt hatte, streckte Kleinsmith seine Pranke aus und langte nach meinem Koffer. Er ging mir zum Waschraum voran. »Was brauchen Sie aus dem Koffer?«
»Zahnbürste, Haarbürste...«
»Schön, ich werde auch noch den Kammerdiener spielen.«
Während ich mich wusch und kämmte, hielt Kleinsmith mein Oberhemd in den Händen und betrachtete es ziemlich genau. Dann gab er es mir.
Nachdem ich die Toilettenutensilien wieder im Koffer verstaut hatte, verschloß Kleinsmith ihn und umschloß den Handgriff fest mit seiner Hand.
»Ich kann doch meinen Koffer selbst tragen«, sagte ich.
»Schon gut. Lassen Sie nur.«
Der Schaffner kam und meldete: »In ein paar Minuten sind wir in Barstow. Wir halten nur eine knappe Minute. Es wäre gut, wenn die Herren sich bereit halten würden.«
Kleinsmith nickte nur.
»Die rückwärtige Tür geht zu öffnen«, sagte der Schaffner.
»Was soll der Firlefanz eigentlich?« fragte ich und zündete mir eine Zigarette an.
»Tut mir leid, Lam. Aber ich darf Ihnen keine Auskunft geben.«
»Das fühlt ja ein Blinder mit dem Krückstock. Wenn man mit ansieht, wie Sie sich hier gebärden, dann könnte man annehmen, Sie wären hinter einem Mörder her.«
Kaum hatte ich das gesagt, verriet mir sein Gesichtsausdruck alles, was ich wissen wollte.
»Woher wissen Sie, daß ein Mord verübt wurde, Lam?«
»Liegt denn einer vor?«
»Das haben Sie doch eben gesagt!«
»Drehen Sie mir doch nicht das Wort im Munde herum. Ich sagte doch nur, Sie benehmen sich so, als sei ein Mord passiert.«
»So haben Sie es nicht gesagt.«
»Zum Teufel! So habe ich es gesagt.«
»Sie wissen ganz genau, daß Sie es so nicht gesagt haben.«
»Ich weiß, was ich gesagt habe.«
Kleinsmith gab nach. »Reden wir lieber von was anderem.«
Der Zug verlangsamte sein Tempo. Wir gingen durch den Seitengang zur Wagentür. Der Schaffner stand dort schon, den Türgriff in der Hand. Kaum hielt der Zug, stieß er die Tür auf und sprang hinaus.
Ich hielt dem Schaffner ein Fünfundzwanzig=Cent=Stück hin. Er langte im Unterbewußtsein danach, zog aber im letzten Augenblick die Hand blitzschnell zurück. »Danke schön, mein Herr. Schon gut. Hals- und Beinbruch, mein Herr, guten Morgen«, stotterte er.
Schulterzuckend steckte ich die Münze wieder ein.
Kleinsmith schmunzelte nur vor sich hin.
Ich blickte den
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