Treffpunkt Parzelle 4: Nur die Freundschaft zählt (German Edition)
Auf dem Weg zur Klasse rief Wolle den anderen noch zu: »Also, jeder bringt wieder was zu futtern mit und …«, sie zögerte, »und ein weißes T-Shirt!«
»Oh nein!«, stöhnte Bruno. »Ich hab’s gewusst. Bitte keinen Kreativworkshop oder Ähnliches!«
»Du bringst einfach ein T-Shirt mit«, bestimmte Wolle energisch und stieß ihm den Ellenbogen in die Rippen, »und dann wirst du schon sehen, was ich vorhabe.«
An diesem Nachmittag waren die Freunde schon da, als Karo zum Garten kam. Es war irgendwie ein gutes Gefühl, von ihnen erwartet zu werden. Sie hatten ein Versteck für den Schlüssel ausgemacht, damit die anderen auch hineinkonnten, wenn Karo mal keine Zeit hatte oder sich verspätete. Bruno hockte mit Bodo vor dem Eingang und untersuchte sein Fell auf Zecken. Jo hatte ihre Hausaufgaben natürlich nicht geschafft, saß am Gartentisch und schrieb gerade die letzte Aufgabe aus Brunos Heft ab. Wolle hatte bereits Tee gekocht und mindestens sechs verschiedene Teesorten auf dem grünen Küchenbord über dem Herd gestapelt. Heute gab es Karibisches Feuer. Im Regal standen zwei verschiedene Chaisorten, Kokos-Zimt-Tee , Alpenglühen und Süße Verführung , was immer das sein mochte. Ihr Vater arbeitete nämlich bei einem Tee-Versandhandel und brachte fast täglich irgendwelche abenteuerlichen Teekreationen mit nach Hause. Die ganze Familie trank von früh bis spät Tee. Karo selbst machte sich nicht so viel aus Tee, aber sie liebte es, wenn Wolle aus dem Teetrinken eine Zeremonie machte. Das hatte so etwas Anheimelndes und Gemütliches. Und manche Sorten schmeckten auch richtig gut. Sie durften nur nicht zu künstlich sein. Aber Jo hasste Tee. Bei ihr zu Hause gab es Sprite, Cola oder so ein Isogetränk, das ihr Vater immer nach dem Joggen trank.
Wolle hatte aber noch was anderes mitgebracht. Auf der Fensterbank lagen Stoffmalstifte. Nun saß sie lässig im Fensterrahmen, einen Zeichenblock auf den Knien, und kritzelte und radierte abwechselnd darin herum. Sie war das Maltalent. Keiner in der Klasse konnte so gut zeichnen wie sie. Aber keiner hatte auch so große Lust dazu. Schon als kleines Kind hatte sie immer nur gemalt, gemalt und gemalt.
Karo musste einen Moment stehen bleiben, um sich dieses Bild einzuprägen. Jo am Tisch sitzend, Wolle im Fenster und Bruno mit Bodo auf der Türschwelle – alle so vertieft in das, was sie gerade taten. Am liebsten hätte sie jetzt ein Foto von den Freunden für ihr Album gemacht. Für schlechte Zeiten, wie ihre Oma früher zu sagen pflegte. Zeiten, in denen man vielleicht miese Laune hatte oder einsam und traurig war oder gerade wütend auf die Lehrer oder die Eltern. So wie jetzt müsste es einfach immer sein, dachte Karo und ging auf das Haus zu.
»Hi, da bist du ja!«, rief Bruno, und Bodo fuhr herum und sprang freudig an Karo hoch. »Wir sind schon mal ’ne Runde mit ihm gelaufen. Der Buschschlüter hat rumkrakeelt, wieso hier so viele Fremde auf dem Grundstück herumtrampeln würden und wie viele denn noch kommen würden. Ich hab aber aufgepasst, dass er unser Schlüsselversteck nicht sieht.«
Karo rollte die Augen. Der Buschschlüter erinnerte sie immer mehr an ein Lied aus ihrem alten Kinderliederbuch. Nämlich an das von dem bucklig Männlein, das stets schon vor einem da ist und einem die schönen Pläne durchkreuzt.
Ihr Blick fiel auf den Küchentisch.
»Hey, Jo! Du hast ja tatsächlich an die Kopien gedacht.« Karo war begeistert. »Lass mal sehen. Winkeralphabet, Fingeralphabet und – was ist das denn?«
»Steno«, antwortete Jo, »wurde früher von Sekretärinnen genutzt, wenn sie ein Gespräch oder ein Diktat superschnell mitschreiben mussten. Mein Bruder war zwar nicht zu Hause, aber weil er ja immer soooo ordentlich ist, hab ich die Schriften relativ schnell gefunden.«
»Cool, aber für uns als Geheimschrift vielleicht etwas unpassend.«
»Wir könnten es natürlich auch mal mit Arabisch oder Griechisch versuchen«, feixte Bruno. »Oder Chinesisch? Hauptsache, die Krieger ist der Sprache nicht mächtig.«
»Klitzekleiner Haken daran ist vielleicht, dass wir ihr auch nicht mächtig sind«, sagte Wolle lachend. »Ich schlage daher vor, wir stellen die Entwicklung unserer Geheimschrift noch etwas zurück und beschäftigen uns lieber mit der Entwicklung unseres Abzeichens. Ich hab hier schon mal ein paar Skizzen gemacht …«
Sie steckten die Köpfe zusammen und betrachteten Wolles Entwürfe. Sie hatte den neuen Bandennamen Parzelle 4 ganz
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