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Treibgut - 11

Treibgut - 11

Titel: Treibgut - 11 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl-Heinz Witzko
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wie immer verscharren. Ihr Götter, dachte Khadan unglücklich, wird dieses Grauen niemals enden?
     
     
     

 
     
    Scheïjian rülpste zufrieden und warf den abgenagten Knochen der Hasenkeule mit Schwung auf das Pflaster. Sofort stürzten sich einige der Hunde darauf, die von Anfang an die Tische vor der Taverne umlagert hatten, manche mit erbärmlich flehendem Blick und geiferndem Hecheln, andere dreist fordernd, so daß nur gelegentliche Tritte sie vertreiben konnten. Ein kurzes Gerangel und Knurren hoben an und waren gleich wieder vorbei. Der Mensch leckte sich derweil die dicke braune Biersoße von den Fingern. »Ist es nicht köstlich?« fragte er seine Begleiterin. »Ich habe nicht mehr so gut gespeist, seit ich Tuzak verließ! Welch schöner Tag heute, welch freundliches Geschick, das uns so weit weg von zu Hause in diese Schatzkammer der Köstlichkeiten geführt hat, Rur sei gepriesen!« Scheïjian räkelte sich wohlig, er war fast glücklich.
    Ishajid stimmte ihm mit vollem Mund zu und warf nach gründlicher Untersuchung und mit sichtlichem Bedauern auch ihre Essensreste aufs Pflaster. Abermals setzte ein kurzer heftiger Kampf ein. Sie lächelte in sich hinein, denn so aufgeräumt und zugänglich hatte sie ihren Begleiter während der vergangenen Tage auf See nicht erlebt. Er wurde dadurch geradezu liebenswert.
    Sie nahm einen großen Schluck aus dem Humpen, setzte ihn gleich wieder ab und stierte argwöhnisch in die dunkle, fast schaumlose Flüssigkeit. »Das Bier scheint nur zum Kochen zu taugen«, urteilte sie, »nicht zum Trinken. Kann es sein, daß sie ihr Gebräu mit Gemüse strecken?«
    »Ich dachte, es liege daran, daß der Krug nicht sauber war«, entgegnete Scheïjian und kostete von seinem Getränk. »Doch jetzt, da du es sagst, Schwester, jetzt schmecke ich es auch. Ein sonderbarer Einfall, Bier mit Gemüse zu brauen, dabei dachte ich, es sei dem heimischen Wein allemal vorzuziehen, falls sie überhaupt welchen haben.«
    Am heißesten Tag dieses nostrischen Sommers, der im Unterschied zu den verregneten Vorgängern der letzten Jahre ungewöhnlich trocken war, gingen die beiden Maraskaner im Hafen der Hauptstadt des nördlichen Königreiches an Land. Nach mehreren Tagen auf See, da sie außer förmlicher Zurückhaltung nichts geteilt hatten, hatten sie das Schiff mit dem bunten Volk verlassen, das die Fette Wachtel auf ihrer mehrtägigen Reise in den Küstenstädten längs ihrer Route aufgelesen hatte, hatten eine Herberge gesucht und diese Taverne am Rand eines gepflasterten Platzes gefunden. Offensichtlich sah die Stadt an den Ufern der Tommel einer Festlichkeit entgegen, denn zahlreiche Spielleute befanden sich innerhalb der Mauern. Um welches Fest es sich handelte, war leicht zu ersehen. Reiter strömten in die Stadt, gerüstet in schimmernde oder verbeulte Panzer, Helme mit hochgeklappten Visieren und Federbüschen auf den Spitzen, Knappen im Gefolge oder, weniger aufwendig, allein und das ganze klappernde Rüstzeug samt langer Lanze auf einem Packpferd mitführend. Ein Turnier würde es geben, zu Ehren Rondras, wie in manch anderer Stadt Aventuriens in dem Monat, der den Namen der Göttin des Kampfes trug.
    Trotz dieser hohen Gäste war auch die Ankunft der beiden Besucher aus dem weit entfernten südöstlichen Winkel der Welt nicht unbemerkt geblieben, was nur zum Teil an der Tatsache lag, daß sie einem fremdländischen Menschenschlag angehörten, vor allem aber an der Gewandung der Priesterin. Das unscheinbare Grau des Stoffes, das kein Grau war, ließ sie, sobald es entdeckt wurde, wie einen heimlichen Paradiesvogel, wie einen Avesfinken in Verkleidung erscheinen und weckte Überraschung, Gaffen und Staunen. Manchmal wurde es ihnen deutlich, manchmal entging es den Reisenden, den beiden Brennpunkten der Aufmerksamkeit, dann nämlich, wenn sie verdutzt auf eine Eigenart dieser Königsstadt stießen, die eine seltsame, gewissermaßen spiegelverkehrte Gemeinsamkeit mit der Tracht der Priesterin aufwies. Genauso, wie das eigentlich bunte Gewand Ishajids vortäuschte, etwas anderes zu sein, versuchte die Metropole des Nostrischen Königreiches etwas anderes darzustellen als das, was sie war – nämlich armselig. Das fiel nicht bei den Häusern der Bürger und Handwerker ins Auge, sondern den prunkvollen alten Prachtbauten. Die meisten bestanden nämlich nur aus einer protzigen Fassade, hinter der sich schlichte Anbauten verbargen. In diesem Sinn begegneten sich an diesem Sommertag im

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