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Treibgut - 11

Treibgut - 11

Titel: Treibgut - 11 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl-Heinz Witzko
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Was soll das für eine Falle sein, die man erst mühsam finden muß?« stichelte Scheïjian, um ihn zu reizen, denn beeindruckt, wie der Mann von der Scharfsinnigkeit seines Vorgehens war, schien es dem Maraskaner ein möglicher Weg zu sein, ihn zu einer Handlung zu treiben, die das angestrebte Durcheinander auslösen würde.
    Wenn der Plan überhaupt von dem Spitzbart ausgetüftelt worden war … Scheïjian hatte Zweifel daran. So seltsam sich das Ganze auch anhörte, besaß es doch eine gewisse verschrobene Raffinesse und verriet etwas über den Planer, nämlich eine beeindruckende Arroganz und schier unglaubliche Geringschätzung und Verachtung derer, auf die seine Machenschaften zielten, Eigenschaften, die dem Spitzbart abgingen. Wirf den Hunden einen Knochen hin, und sie werden danach schnappen – das steckte dahinter. Scheïjian fragte sich, warum dieser vermutlich eigentliche Urheber nur so kompliziert vorgegangen und nicht einfach nach Maraskan gereist war, um zu erfahren, was er wissen wollte.
    Das Bild brachte Scheïjian zu einer neuen Einsicht. Wie jeder andere hatte er stillschweigend angenommen, daß die Aufgabe der Bruderschaft vom Zweiten Finger Tsas bei dem Bündnis zwischen ihr und der Priesterschaft – wie die Heiligen Rollen es prophezeiten – darin bestehe, den Schutz des Exodus zu übernehmen und auftretende Schwierigkeiten beiseite zu räumen. Nun fragte sich Scheïjian, ob sich selbst Milhibethjida darüber im klaren war, daß jener Abspaltung von der Bruderschaft, Endijians neuem Zweig, der sich bemerkenswerterweise ›Krieger Tsas‹ nannte, eine noch wichtigere Aufgabe zukam. Asboran, der Zufluchtsort, würde wie ein Knochen werden, um den sich ein Rudel Hunde stritt, sobald bekannt wurde, was der Ort wirklich bedeutete. Die neue Stadt wäre zu schwach, um von Kriegern oder Söldnern verteidigt zu werden, doch Endijians Leute würden nie offen kämpfen, sie würden für nützliche Unfälle sorgen, bevor es überhaupt zu Kämpfen kam. Er war sich sicher, daß sein Großvater, der Zweite Finger, daran gedacht hatte.
    Ein Streitgespräch entwickelte sich zwischen Ishajid und dem Kumpan des Spitzbärtigen, der neben ihm stand, dem überlebenden Entführer.
    »Alles wäre nach Plan gelungen, wenn wir dich erwischt hätten! Schließlich haben wir seit Monden auf eine wie dich gewartet«, verteidigte er das Gerede seines Anführers.
    »Da hättest du dann aber nicht weglaufen dürfen, Hasenfuß, als es ernst wurde!« spöttelte Ishajid.
    »Niemand konnte ahnen, daß dein Kumpan plötzlich auftaucht und uns von hinten niedermacht!« verteidigte er sich.
    »Red dich nicht heraus, es gab keinen Kumpan, ich war allein.«
    Er wandte sich entrüstet an seinen Anführer: »Das Weibsbild lügt, Tommelian, ich bin nicht feige geflohen. Sie will mich nur verleumden.«
    Scheïjian ließ sich nicht anmerken, wie sehr die Streiterei und besonders die angeführten Argumente seine Neugier befriedigten. Sie bestätigten eine Vermutung, die er seit Tagen hatte.
    Mit einem Krachen wurde die Halterung eines der Türvorhänge von hinten heruntergerissen, und eine weitere Person betrat das Gemach. Sie maß über zwei Schritt, der lange graue Kapuzenmantel schleifte spannlang mit dem Saum über den Boden, und das Gesicht war ganz hinter einem Schleier verborgen. Zornig fuhr die Gestalt, bei der es sich vermutlich um einen sehr schweren und vermutlich ziemlich kräftigen Mann handelte, den Tommelian genannten Spitzbart an: »Narr, sie tanzen dir auf der Nase herum! Sorg dafür, daß das aufhört!«
    »Wer ist das?« fragte eine der Frauen scharf und richtete ihre Armbrust auf ihn. »Den habe ich noch nie gesehen!«
    »Mein Bruder«, antwortete Tommelian scheu, »er ist nicht sehr gesellig.«
    »Darum muß man sich doch nicht verhüllen!«
    Tommelian seufzte: »Er hat eine hohe Stellung am Hof und will nicht, daß man ihn erkennt.«
    »Er traut uns nicht, was? Aber wir sollen ihm trauen?«
    »Er ist mein Bruder, Perainiane, mein Wort darauf.«
    »Nun frag sie endlich!« befahl der Vermummte, den Wortwechsel übergehend. »Sag ihnen, daß du ihnen für jede neue Dreistigkeit einen Bolzen verpassen läßt, nicht so, daß der Schuß tötet, nur daß er verkrüppelt – selbst wenn sie anschließend gespickt sind wie Rehrücken! Tu es gefälligst!«
    »Ihr habt gehört, was mein Bruder sagt«, erklärte Tommelian, ergeben auf die Platte des Tischchens blickend. Es war unverkennbar, wie sehr es ihn kränkte, so plötzlich

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