Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Treibgut der Strudelsee

Treibgut der Strudelsee

Titel: Treibgut der Strudelsee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Hoffmann
Vom Netzwerk:
Herz des Hünen noch schlug. Gerade schickte er sich an, erste Wiederbelebungsversuche zu machen, als ihn ein Geräusch zusammenfahren ließ.
    Dort, wo eben noch nichts außer der wild schlagenden Stange des Steuerruders gewesen war, stand der Steuermann wie eh und je, das Ruder fest im Griff und die Augen starr geradeaus gerichtet.
    Und diese Augen waren glühende Lichter, die selbst die Nebelschwaden mühelos durchdrangen.
    Lähmendes Entsetzen griff nach Mythors Herz. Wie viele Männer an Bord mochten schon so sein wie er? Wie viele hatte Oblak in seine Gewalt gebracht, damit das unheimliche Leben, das in ihm war, auch von ihnen Besitz ergriff?
    Unwillkürlich hatte der Sohn des Kometen einige Schritte auf den Untoten zugemacht. Der Steuermann schien ihn gar nicht zu sehen. Er hielt das Ruder, und mit Sicherheit würde er das Schiff nicht aus der Strömung herausbringen wollen – im Gegenteil. Er manövrierte es immer tiefer ins Verderben.
    Zorn und Verzweiflung überkamen Mythor. Mit einem Schrei stürmte er vor, und mit solcher Wucht rammte er dem Verlorenen den Kopf in den Leib, dass der Steuermann in weitem Bogen über Bord ging. Mythor hörte, wie sein schwerer Körper auf das Wasser klatschte, und sah, wie er, von rotem Leuchten umspielt, versank. Was immer in ihn gefahren war und seine Seele getötet hatte – es strömte aus ihm heraus.
    Mythor fuhr herum, als er das Scharren hinter sich hörte. »Oblak!«
    Die Gestalt, die sich, schwarz wie die Nacht, an Jejed zu schaffen gemacht hatte, verharrte in der Bewegung. Für Augenblicke war es, als löse sie sich auf. Dann drehte sie ganz langsam den Kopf. Das Feuer aus den furchtbaren Augen schien Mythor verbrennen zu wollen. Irgend etwas lähmte ihn. Er war nicht fähig, auch nur einen Schritt zu machen.
    Oblak zerrte Jejed in die Höhe. Ein dämonisches Grinsen trat in sein Gesicht, als er den Kapitän auf den Armen hatte. »Du wirst mich nicht daran hindern, ihren Willen zu erfüllen, Krieger!« zischte er, und seine Stimme hatte nichts Menschliches an sich. »Auch du wirst zu uns gehören; doch Jejed soll verschont werden!«
    Und Mythor sah, wie der Unselige den Moronen über das Deck trug, bis zum Rand. Er konnte nichts tun. Er wollte schreien, aber kein Laut kam über seine Lippen. Er wollte rennen, doch die Beine waren schwer wie Blei. Oblak holte Schwung.
    *
    Yellens Männer waren in der Überzahl, aber ihre Körper waren vom Rudern geschwächt, ihre Arme wollten ihnen nicht mehr recht gehorchen. Ihre Beine knickten ein, und einige sanken zu Boden von einem Fausthieb, den sie sonst lachend eingesteckt hätten.
    Es war ein erbitterter, aber kurzer Kampf. Golad hatte sich mit Farina eingeschlossen. Nur Yellen und eine Handvoll anderer kämpften wie die Löwen. Sadagar war verschwunden, angeblich, um einen Gurt mit elf Messern aus seinem Versteck zu holen, und Chrandor lag in einen der Schlafsäcke eingewickelt.
    Yellen wurde als letzter mit einer Holzstange zu Boden gestreckt.
    »Fesselt sie!« befahl Rachamon, und niemand wagte, gegen den Seemagier aufzubegehren. Hoch aufgerichtet stand er da und gab sich keine Mühe, seine Genugtuung zu verbergen. Wenigstens diesen einen Sieg hatte er errungen, den Sieg über Jejed und die Mannschaft. Von nun an hörten die Männer auf ihn, und sollte es ihnen gelingen, Oblak über Bord zu werfen, war vielleicht noch nicht alles verloren.
    Allerdings nagten jetzt wieder Zweifel an Rachamons Überzeugung, dass Oblak allein für das Versagen seiner Magie verantwortlich sei. Undeutlich spürte er wieder, dass da noch etwas anderes, weitaus Mächtigeres war, das an den Grundfesten des Gleichgewichts rüttelte, das die Welt zusammenhielt. Und es wurde stärker, es kam näher.
    »Verteilt euch über das Schiff!« befahl er. »Geht zu zweit und ruft sofort, wenn ihr Oblak seht!« Inzwischen waren auch die vier, die unter Deck betäubt worden waren, wieder zu sich gekommen und hatten durch Schreie auf sich aufmerksam gemacht. Auf den Ruderbänken befanden sich nur noch jeweils zwei Seefahrer. Alle anderen drängten sich um den Magier.
    Nur zögernd machten sie sich auf den Weg. Sie hatten viele Kämpfe ausgefochten, bevor sie sich Jejed anschlossen. Manch einer war nur knapp dem Henker entgangen, und doch waren es Menschen aus Fleisch und Blut gewesen, die ihnen auf Leben und Tod gegenübergestanden hatten. Oblak aber…
    Kaum einer wagte noch, diesen Namen laut auszusprechen. Geduckt und schweigend verschwanden sie im Nebel,

Weitere Kostenlose Bücher