Treibgut der Strudelsee
ausrichten. Jetzt konnte er nur noch eines tun.
Er schlich sich auf dem glatten Eis vorsichtig zurück, während Rachamon den Männern noch Befehle zurief. Einige von ihnen zögerten, ihn als ihren neuen Herrn anzuerkennen. Aber das würde sich schnell ändern.
Mythor erreichte ungesehen den Decksaufbau, wartete bebend, bis Golad ihm öffnete, und sagte schnell: »Ihr beide bleibt hier! Ich hole Yellen und die anderen! Bereitet euch auf einen Kampf vor! Öffnet nur auf dreimaliges Klopfen!«
Golad fragte etwas, doch schon war Mythor wieder verschwunden. Auf den Ruderbänken brachen Tumulte aus. Mythor erreichte die in den Schiffsbauch führende Treppe, riss die Klappe hoch und kletterte hinunter. In knappen Sätzen berichtete er über das Vorgefallene, und kurz darauf folgte ihm seine kleine Streitmacht von drei Dutzend Legionären an Deck. Auch Sadagar und Chrandor waren bei ihnen.
»Zu Golad«, sagte Mythor schnell. »Yellen, du führst die Männer an. Verteidigt euch, bis ich zurück bin.«
»Du kommst nicht mit uns?« wunderte sich der Weißhaarige.
»Später, Yellen. Zuerst muss ich Oblak finden.«
»Dann komme ich mit! Kein Mann hat allein eine Chance gegen den…«
»Ich gehe allein!« wehrte Mythor entschlossen ab.
»Dann nimm das hier mit!«
Steinmann Sadagar stand neben ihm und zog eines seiner Messer unter der Samtjacke hervor.
Mythor nahm die Waffe an sich und verzichtete darauf, Fragen zu stellen. Er verschwand in den Nebelschleiern, die sich wie herbeigezaubert plötzlich über das Schiff gelegt hatten, als der Hagel aufhörte und der Sturm abrupt nachließ. Die Schritte der Männer entfernten sich schnell.
Mythor war allein. Aber wo sollte er mit der Suche beginnen? Für einen wie Oblak, der jeden Winkel der Gasihara kannte, gab es Verstecke zuhauf.
Ein furchtbarer, langgezogener Schrei gab Mythor die Antwort. Noch bevor er sich auf den Weg zurück zum Heck machen konnte, ging ein Knirschen und Ächzen wie von berstendem Holz durch das gesamte Schiff.
Dann spritzte die Gischt viele Mannslängen hoch in die Luft, und es war, als hätten die Fäuste eines Riesen die Lichtfähre gepackt und zögen sie mit großer Gewalt mit sich fort. Die Schreie der Ruderer waren zu hören und dann wieder Rachamons Stimme: »Der Steuermann ist fort! Das ist Oblaks Werk! Und wir… bei allen Göttern, wir geraten in die Ismina-Strömung!«
Die Ismina-Strömung!
Nun wusste Mythor mit Sicherheit, dass es keine Rettung für die Gasihara gab. Rachamon konnte die Elemente nicht mehr beeinflussen. Was Oblak in sich trug, musste seine Magie unwirksam machen. Und von Männern, die in Sarphand mit Seeleuten zusammengesessen und gezecht hatten, wusste Mythor, dass ein Schiff, das einmal in die Strömung geraten war, unrettbar den Gewalten der Strudelsee ausgeliefert wurde. Sie führte sie alle ins Verderben, in noch gefährlichere Gewässer und schließlich in den gefährlichsten und legendenumwobenen Sarmara-Strudel selbst, von dem es hieß, dass er die Wassermassen der See in sich aufsauge und am Ende der Welt wieder emporspüle, von wo sie nach vielen Jahren wieder zum Zentrum zurücktrieben. Denn allgemein herrschte der Glaube, dass die Strudelsee die Urquelle allen Wassers sei, auf dem wiederum die Landmassen nur schwammen.
Diese Gedanken schossen Mythor durch den Kopf, als er das Messer fester packte und sich, jede Deckung ausnutzend, auf dem glitschigen Boden an den Gestellen und dem Deckaufbau vorbeischlich, bei dem jetzt bereits heftig gekämpft wurde.
Mythor musste an sich halten, nicht seinen Freunden zu Hilfe zu eilen. Sie mussten selbst mit der von Rachamon aufgehetzten Mannschaft fertig werden. Er hatte einen anderen Kampf auszufechten.
Dabei kam ihm noch nicht der Gedanke, dass es nicht nur Oblak sein könnte, der das Schiff ins Verderben führte, sondern etwas anderes, das in der Nacht lauerte, das seiner Spur gefolgt war und nur auf die Gelegenheit wartete, endgültig von ihm Besitz zu ergreifen.
Ein Schatten, schwärzer als die Nacht…
*
Rachamon trieb die Seefahrer unablässig an, packte die zu Boden Geschlagenen und stieß sie ins Kampfgetümmel zurück. Keiner von ihnen war noch im Heck der Lichtfähre, als Mythor die Kisten erreichte. Der Nebel war noch dichter geworden und erstickte fast das Licht der Öllampe.
Jejed lag blutüberströmt noch an der Stelle, an der der Magier ihn heimtückisch niedergeschlagen hatte. Mythor beugte sich über ihn und stellte erleichtert fest, dass das
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