Treibgut der Strudelsee
des Kapitäns. Manchmal glaubte Golad, ein Zucken darin erkennen zu können. Dann beugte er sich vor, aber der Blick des Moronen blieb starr.
Nur aus den sehr laut geführten Unterhaltungen der Männer draußen wusste Golad ungefähr, was sich an Bord zugetragen hatte. Er hatte sogar den Verdacht, dass sie absichtlich so laut redeten, um ihn, Farina und Jejed zu quälen.
Nein, dachte Golad, nicht den Kapitän. Rachamon mochte sie jetzt blenden können, doch wenn Jejed wieder zu sich käme und vor sie hintreten könnte…
Der Gedanke ließ den Recken bald nicht mehr los. Den Männern an den Rudern und unter Deck mochte ein grausames, menschenunwürdiges Ende zugedacht sein. Durfte er denn da tatenlos zusehen? Würde er im Leben nach dem Tod gnädige Aufnahme finden, wenn er jetzt und hier dieses Unrecht geschehen ließ?
»Golad«, flüsterte Farina. »Was hast du?«
Er löste behutsam ihre Arme von sich und strich durch ihr langes dunkles Haar. »Habe keine Angst«, flüsterte er. »Ich muss mich um Jejed kümmern.«
»Bleib hier!« flehte sie. »Geh nicht fort! Nie mehr!«
»Ich bleibe bei dir, und das weißt du.«
Sie ließ ihn gehen, aber in ihren Augen lag Furcht.
Golad hockte sich vor Jejed hin und schob vorsichtig die Hände unter den Kopf des Moronen.
»Jejed!« flüsterte er eindringlich. »Kapitän!«
Der Hüne rührte sich nicht. Einmal zuckte es um seine Mundwinkel, schienen seine Augen sich auf Golad richten zu wollen. Dann lag er wieder still und atmete flach.
Golad schüttelte ihn, leicht zunächst, dann heftiger. »Jejed, du musst zu dir kommen! Du hörst mich! Deine Männer brauchen dich!«
Da öffneten sich die Lippen des Moronen. Golad fühlte, wie sich Finger in seine Arme gruben, und hörte ganz schwach: »Oblak…!«
»Er ist tot, Jejed. Frei! Die Geister, die ihn besessen hatten, sind aus ihm ausgefahren. Du wusstest, dass er besessen war, und wolltest ihn schützen. Dafür hätte er dich fast umgebracht.«
Ein Zittern durchlief den Körper des Kapitäns. Seine Lippen öffneten und schlossen sich wieder. Golad schwitzte. Wieder rüttelte er an den Schultern des Moronen, diesmal fester.
»Er würde mich nicht töten!« schrie Jejed plötzlich. »Oblak nicht! Wir haben es uns geschworen!«
»Was, Jejed?«
»Wir hielten zusammen, immer schon! Mein Stamm tötete sie alle, außer ihm!«
»Wen?«
»Die… Karawane, die aus dem Norden kam. Ich brachte Oblak in Sicherheit. Er war… ein Kind wie ich. Wir wuchsen zusammen auf, und was mein war, war auch sein! Wir…«
Erschüttert sah Golad, wie Jejeds Augen sich weiteten. Dann stieß der Morone einen grauenvollen Schrei aus, riss sich los und sprang auf. Im Nu war er über Golad und brachte die Hände an dessen Kehle.
»Oblak würde mich nicht töten, hörst du? Du lügst! Niemand redet schlecht über Oblak, ohne gestraft zu werden!«
Farinas schriller Schrei ließ Jejed herumfahren. Dieser kurze Augenblick genügte Golad, um ihn von sich zu stoßen. Draußen wurden Stimmen laut und verstummten, als Rachamon unverständliche Befehle brüllte.
»Hörst du ihn?« flüsterte Golad. »Er hat dir deine Mannschaft weggenommen! Er will, dass wir alle einen grauenvollen Tod sterben!« Golad sah, wie Jejed unsicher wurde. Was er erreichen wollte, hatte er geschafft. Er vermied es, noch einmal Oblaks Namen auszusprechen. Jejed war aus seiner Starre erwacht, und allmählich schien er die völlige Kontrolle über sich zurückzugewinnen.
Schnell berichtete Golad alles, was er über das Geschehene wusste. Jejed ballte die Hände. Seine Brust hob und senkte sich unter heftigen Atemzügen. Dann, als Golad geendet hatte, setzte er sich und blickte finster vor sich hin. »Oblak war nicht böse«, flüsterte er. »Was er tat, kam nicht aus ihm heraus…«
Schon glaubte Golad, der Morone würde erneut in seine Starre verfallen und sich allein seinem Schmerz hingeben. Doch der Kapitän blickte ihn aus klaren Augen an. »Es ist gut, Freund«, sagte er. »Aber was können wir noch tun?«
»Rufe deine Männer! Sie werden dich hören.«
»Du unterschätzt den Magier«, murmelte Jejed. »Er würde nicht zögern, jeden zu töten, der den Riegel zurückschieben will. Wir…«
Ein schabendes Geräusch ließ ihn verstummen. Für Augenblicke herrschte vollkommene Stille. Dann flüsterte Golad: »Aber da ist jemand an der Tür. Hört ihr das?«
An Deck wurde geschrien. Die Worte der Seefahrer waren kaum zu verstehen. Rachamon brüllte, aber es hatte den
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