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Treibgut

Treibgut

Titel: Treibgut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maren Schwarz
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sein muss, als er auf die Leiche in der Kühltruhe gestoßen ist.«
    »Das ist ja ein Ding!«, meinte Henning, der angesichts von so viel Kaltblütigkeit an die Eisbabys denken musste, die während seiner Dienstzeit in Mühltroff zu Tage gefördert wurden. »Ich meine, das muss man sich mal vorstellen: Erst das eigene Kind umbringen, und dann …«
    »Wie’s aussieht«, wurde er von Leona unterbrochen, »wollten die Müllers ihr Kind nicht töten, sondern für eine gewisse Zeit ruhigstellen. Auch wenn sich bislang noch nicht viel sagen lässt, deutet einiges daraufhin, dass ihr Sohn an einer Überdosis Schlafmittel starb. Allerdings steht der Laborbericht noch aus.«
    Bevor sie weitersprach, suchte Leona seinen Blick. »Seit der arme kleine Kerl auf meinem Tisch gelandet ist, frage ich mich, ob Leas Fall nicht ähnlich gelagert sein könnte. Was, wenn auch sie an einer Überdosis Schlaftabletten gestorben ist?«
    »Kannst du mir mal verraten, weshalb Elena das getan haben sollte?«
    »Vielleicht, um ungestört ihre Fotos schießen zu können? Da ist so ein kleiner Plärrhals nicht unbedingt hilfreich.«
    »Jetzt mach aber mal halblang!«, unterbrach sie Henning ungeduldig.
    Leona nickte. »Klingt irgendwie hirnrissig, ich weiß. Trotzdem sollten wir das Ganze nicht schon von vornherein abtun. Genauso wenig wie all die anderen Möglichkeiten«, fügte sie in Anspielung auf ihre gestern geäußerte Vermutung hinzu.
    »Mal angenommen, du hättest recht. Wie erklärst du dir dann Elenas Reaktion?« Henning dachte dabei an den Fernsehbericht. »Weshalb sollte sie so was erfinden? Dafür muss es doch einen Grund geben.«
    Leona zögerte. »Um das zu beurteilen, müsste ich sie kennen. Vielleicht solltest du das besser mit Marlies oder den zuständigen Ärzten besprechen. Ich will damit ja nur sagen, dass es sich so abgespielt haben könnte, nicht, dass es so gewesen sein muss. Vielleicht war das Erlebte ja so grauenhaft, dass sie es verdrängen musste, um weiterleben zu können.«
    Henning entsann sich vage, dass es tatsächlich ein solches Krankheitssyndrom gab. Was aber, wenn sie ihre Erinnerungen gar nicht verdrängt hatte? Was, wenn es sich bei dem Kind tatsächlich um Lea handelte? Während er nach einer Antwort auf die vielen Fragen suchte, standen ihm plötzlich wieder jene ominösen Bilder vor Augen, auf die er beim Sichten der Fotos vom Tattag gestoßen war.
    Er konnte nur hoffen, dass Peer und seine Kollegen von der Kriminaltechnik so schnell wie möglich herausfanden, wer sich hinter jener schattenhaften Gestalt verbarg.
    Um weiteren Spekulationen wegen möglicher Motive zuvorzukommen, stellte Henning klar, dass er sich des Falls bestimmt nicht angenommen hätte, wenn er nur die geringsten Zweifel an Elenas Integrität hätte. Er erzählte Leona die Geschichte des kleinen Mädchens, das angeblich bei einem Hausbrand ums Leben gekommen war.
    »Wahrscheinlich hast du recht damit, dass wir so nicht weiterkommen«, lenkte sie ein. »Lass uns lieber das Thema wechseln. Was hast du in der Stadtwaldklinik in Erfahrung gebracht?«
    Henning gab das Gespräch mit Elsbeth Satorius in allen Einzelheiten wieder, bis plötzlich sein Handy klingelte. Peer teilte ihm mit, dass er sich soeben den Unfallbericht von Rufus Kirchner, Leas Vater, angesehen habe. »Hast du gewusst, dass seine Leiche bis heute nicht geborgen werden konnte?«
    Bevor Henning etwas erwidern konnte, erklärte Peer, dass sie höchstwahrscheinlich von der Strömung mitgerissen wurde. »Wobei sich das erst sicher sagen lässt, wenn sie gefunden worden ist – falls das je der Fall sein sollte …«
    »Willst du damit andeuten, Rufus Kirchner könnte den Unfall überlebt haben?«, erkundigte sich Henning mit vor Erregung ganz rauer Stimme. Plötzlich ging ihm auf, dass Elena zwar von Rufus’ Unfall gesprochen hatte, jedoch nicht davon, dass seine Leiche bis heute als vermisst galt. Fast meinte er sie sagen zu hören, die Polizei ginge davon aus, seine Leiche sei abgetrieben worden. Das also war es, was ihn die ganze Zeit über unterbewusst beschäftigt hatte. Konnte es möglich sein, dass …
    In seine sich überschlagenden Gedanken hinein riet ihm Peer, keine übereilten Schlüsse zu ziehen. »Ich wollte dich nur wissen lassen, was ich herausgefunden habe. Wobei es sicher kein Fehler wäre, Rufus Kirchners Vergangenheit einmal gründlich zu durchleuchten.«
    »Das hatte ich ohnehin vor«, versicherte Henning und erkundigte sich nach Elena. Als er hörte,

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