Treibgut
sich doch mal unter seinen ehemaligen Kollegen um. Möglich, dass die mehr wissen als ich.«
Auf Dietmar Krebs’ Bitte versammelten sich alle Mitarbeiter in seinem Büro. Ein Großteil von ihnen war jedoch erst nach Rufus Kirchners Tod eingestellt worden. Die Befragten wussten nur Positives über ihn zu berichten, auf die Frage nach seinem Privatleben gaben sie sich allerdings zurückhaltend. Henning verabschiedete sich mit der Bitte, sich mit ihm in Verbindung zu setzen, falls jemandem noch etwas einfallen sollte, und fuhr mit der Straßenbahn ins Zentrum zurück.
Auf dem Weg zu seinem Wagen, der in der Nähe des Nonnenturms geparkt war, kam er am Vogtlandtheater vorbei und kaufte aus einer plötzlichen Laune heraus zwei Theaterkarten. Seit seiner am Kap Arkona entdeckten Theaterleidenschaft war er hin und wieder nach Putbus gefahren, um sich am dortigen Theater die ein oder andere Aufführung anzuschauen. Bei der Erinnerung an das von Fürst Wilhelm Malte zu Putbus erschaffene Bauwerk schweiften seine Gedanken augenblicklich zu der weißen Stadt mit ihren üppigen Parkanlagen. Das derzeitige Wetter wollte zwar so gar nicht zu seiner Vorstellung passen, das für den kommenden Freitag auf dem Spielplan stehende Lustspiel hingegen erschien ihm dazu geeignet, sich für ein paar Stunden auf andere Gedanken zu bringen. Kurz darauf trat er den Heimweg an in der Hoffnung, Leona möge nicht schon etwas anderes vorhaben.
Wie sich zeigen sollte, war seine Sorge unberechtigt.
Sie hatten gerade zu Abend gegessen, als Hennings Handy klingelte. »Bitte entschuldigen Sie die späte Störung«, meldete sich eine unbekannte weibliche Stimme zu Wort. »Mein Name ist Martina Funke und ich, nun äh …, ja, also, ich bin die Sekretärin von Herrn Krebs.« Sie räusperte sich kurz. »Ich ruf an, weil es mir peinlich war, Sie heute vor versammelter Mannschaft darauf anzusprechen. Aber ich …, äh, also ich denke …, Sie sollten wissen, dass Rufus, nun ja …, dass er es mit der Treue nicht so genau genommen hat.«
»Geht es vielleicht ein bisschen konkreter?«, wunderte sich Henning.
Martina Funke erzählte von einem zufällig belauschten Gespräch. »Nicht, dass Sie glauben, ich sei neugierig. Es hat sich einfach so ergeben: Hab vergessen, meine Geldbörse einzupacken, bevor ich in die Mittagspause bin. Ich also zurück ins Büro, und was seh ich? Ich seh, dass die Tür von dem Herrn Kirchner seinem Zimmer nur angelehnt ist. Da hör ich auch schon, wie er sich mit Frau Schulz unterhält. Astrid, äh …, nun ja also, ich hör, wie sie ihm vorwirft, sie belogen und betrogen zu haben. Anscheinend«, schlussfolgerte Martina Funke, »hat Herr Kirchner ihr versprochen, sich von seiner Freundin zu trennen. Stattdessen erfährt sie, dass er Vater wird und nichts mehr von ihr wissen will. Ich hör ihn noch sagen, dass es ihm leid täte, falsche Hoffnungen bei ihr geweckt zu haben, dass sein Entschluss aber unwiderruflich feststehen würde und er sie bitten täte, das zu akzeptieren. Zumal sie von Anfang an gewusst hätte, dass er in festen Händen ist.«
»Und wie hat Frau Schulz darauf reagiert?«
»Wie? Na wie schon! Sie war außer sich, hat getobt und ihn einen Schuft genannt. Astrid …, nun, also, sie hat sogar damit gedroht, dass das Ganze ein gewaltiges Nachspiel haben würde.«
Es war nicht zu überhören, wie unangenehm es Martina Funke war, darüber zu sprechen. »Kann das bitte unter uns bleiben? Nicht, dass es nachher noch heißt, ich tät meine Nase in fremder Leute Angelegenheiten stecken.«
»Keine Sorge! Von mir erfährt keiner etwas.« Henning schien zu überlegen. »Wissen Sie zufällig noch, wann das von Ihnen erwähnte Gespräch stattfand?«
»Das ist es ja: Es war der elfte Januar. Der Tag, an dem der Rufus verunglückt ist.«
»Was für ein seltsamer Zufall«, stimmte er ihr zu. »Schaun wir doch mal, was Frau Schulz dazu zu sagen hat. Sie haben doch bestimmt ihre Adresse?«
»Das schon, nur weiß ich nicht, ob sie noch stimmt. Sie müssen nämlich wissen, dass Astrid nicht mehr bei uns arbeitet. Sie äh …, nun, sie hat gleich nach dem Rufus seinem Tod gekündigt.« Es trat eine kurze Pause ein. »Aber wenn Sie wollen, such ich Ihnen ihre alte Anschrift raus. Vielleicht haben Sie ja Glück und sie wohnt noch dort.«
Henning notierte sich die Telefonnummer seiner Gesprächspartnerin und legte mit nachdenklicher Miene auf.
Noch bevor er sich mit Leona darüber austauschen konnte, klingelte sein Handy
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