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Treibgut

Treibgut

Titel: Treibgut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maren Schwarz
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Austen geliefert hat?«
    »Genau der.« Henning nickte. »Mal sehen, inwieweit er mir diesmal behilflich sein kann, etwas Licht in die Angelegenheit zu bringen.«
    »Was sich, falls ich mit meiner Vermutung richtigliegen sollte, schon allein wegen Danko Dierks rentieren dürfte«, pflichtete ihm Leona bei.
    »Du hast wirklich eine blühende Fantasie«, bescheinigte ihr Henning mit einem nachsichtigen Lächeln. »Aber wenn es dich beruhigt, werde ich deiner Vermutung natürlich nachgehen. Vielleicht hast du ja sogar recht. Aber das«, fügte er mit Blick auf die Uhr hinzu, »klären wir heute sowieso nicht mehr.«

18
     
     
    Es war bitterkalt. Der sich über dem Hafenbecken wölbende Himmel war grau und wolkenverhangen. Genauso grau wie das Meer, das dicke weiße Schaumkronen auf seinen aufgewühlten Wellen trug. Obwohl es noch früher Nachmittag war, neigte sich die Sonne bereits dem westlichen Horizont zu. Ihr Stand sagte Henning, dass es besser wäre, an den Heimweg zu denken.
    Als er seinen vor Kälte schmerzenden Händen Wärme einzuhauchen versuchte, musste er an den zurückliegenden Sommer denken.
    Damals hatte man sich an den heute menschenleeren Kais kaum vor bunt gekleideten Feriengästen retten können, die eine Bootsfahrt entlang der Kreideküste buchen wollten.
    Plötzlich entdeckte er in der Ferne eine dunkle Gestalt in einer schweren Jacke, die die Möwen fütterte. Das von einer Strickmaske verhülltes Gesicht verlieh der Erscheinung etwas Unwirkliches. Etwas, das sein Unterbewusstsein in Alarmbereitschaft versetzte.
    Von einer dunklen Vorahnung erfüllt, betrachtete er das Steilufer, über dessen majestätischem Buchenwald blutrot gefärbte Nebeltücher hingen.
    Sie flatterten im Wind, der scharf von eisiger Kälte war. Als der Nebel sich für einen Moment lang teilte, trat plötzlich eine Gestalten aus dem Schatten hervor, die sich in scheinbar schwereloser Leichtigkeit auf den Rand der Klippen zu bewegte. Je näher sie kam, desto fremder und bedrohlicher wirkte sie. Sein Herzschlag schien für einen Moment auszusetzen, als er darin jenes vermummte Wesen zu erkennen glaubte, das eben noch die Möwen gefüttert hatte.
    Fantasie oder Wirklichkeit?
    Als hätte die geisterhafte Gestalt seine Gedanken erraten, löste sie sich vor seinen Augen auf.
    Zurück blieb ein Monster, das seine mit messerscharfen Nägeln versehene Klauen nach einem Henning bislang verborgen gebliebenen Gegenstand ausstreckte.
    Ein Lichtblitz zerriss für Sekunden die Nebelschwaden und ließ ihn erkennen, worum es sich handelte: Es war ein Kinderwagen, der wie von Geisterhand bewegt direkt auf den Abgrund zusteuerte. Instinktiv wollte er die Hände hochreißen und um Hilfe rufen. Doch sein Körper, seine Stimme gehorchten ihm nicht mehr.
    Stattdessen musste er tatenlos mit ansehen, wie der Kinderwagen sich unaufhaltsam dem Abgrund näherte. Kurz bevor er über den Rand der Klippen rollte, tauchte wie aus dem Nichts ein Arm zwischen den Bäumen auf. Das Monster versuchte dem Arm den Weg zu versperren. Dabei kam es zu einem kurzen Handgemenge. Ein Blick auf den wie morsches Holz durch die Luft wirbelnden Arm zeigte Henning, dass er einen leblos wirkenden Säugling umschlungen hielt.
    Während Henning den ungleichen Kampf mit angehaltenem Atem verfolgte, spürte er plötzlich eine Panik in sich aufsteigen, die so groß war, dass er daran zu ersticken glaubte. Schweißgebadet riss er die Augen auf und schnappte nach Luft. Sein Herz raste.
    Es dauerte einen Moment, bis Henning begriff, dass er in seinem Bett lag. Von draußen drang milchiges Morgenlicht ins Zimmer. Doch sobald er die Augen schloss, zog ihn der Traum erneut in seinen Bann. Als die Schleier des Schlafes von ihm abfielen, glaubte er eine, wenn auch äußerst vage Ahnung davon zu haben, was damals geschehen war.
    Der Traum hatte es ihm gezeigt. Leider hatte er versäumt, ihn über die Identität jenes unbekannten Dritten aufzuklären. Rein theoretisch könnte es Danko gewesen sein.
    Falls dem so war, versuchte Henning sich auf die Fakten zu konzentrieren, musste er einen Komplizen gehabt haben. Jemanden, der ihm den in seinem Traum leblos wirkenden Säugling abgenommen hatte. Die Frage war nur, wer? Wer hatte ein Motiv? Es wollte ihm niemand einfallen. Niemand außer Danko Dierks. Doch der war inzwischen tot. Vermutlich tot, korrigierte er sich. Aber höchstwahrscheinlich, da brauchte er sich keinen Illusionen hinzugeben.
    Falls ihn seine Spielschulden dazu getrieben

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