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Treibhaus der Träume

Treibhaus der Träume

Titel: Treibhaus der Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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unerträglich – auch wenn alle, die hier sitzen, nur das eine Ziel haben: die Natur, die sie benachteiligt hat, zu berichtigen.
    Warteraum Nr. 2 war für die Herren da.
    Auch die Männer sind eitel. O Gott, oft sind sie eitler als die Frauen, nur wollen sie es nicht wissen. Vor allem die in den Brieftaschen gut gepolsterten, im Wirtschaftsleben erfolgreichen Herren, die Manager und Direktoren, die Künstler und Freischaffenden stehen öfter vor den Spiegeln als ihre Frauen, nur heimlich. Dann zählen sie die Falten, massieren das Doppelkinn, sind unzufrieden mit ihrem Gesicht, ärgern sich über die Tränensäcke und verfluchen ihre rotgepunktete, weinselige Nase. Meist steht in einem Winkel ihrer Herzen ein kleines, hübsches, junges Mädchen … die süße Stenotypistin von Zimmer 37, die Friseuse von gegenüber, die Stewardeß der PAA, die Kellnerin vom ›Chez nous‹. Da muß man jünger sein als man ist, meine Herren! Da stört die Knollennase, auch wenn sie medizinisch so schön ›Rhinophym‹ heißt, und die Tränensäcke müssen weg, radikal. Man sieht dann gleich zehn Jahre jünger aus. Und zehn Jahre, verdammt, das ist schon etwas bei der süßen Krabbe von Zimmer 37 …
    Warteraum Nr. 3 war der ›tragische Raum‹, wie Dr. Lorentzen ihn nannte. Hier sollten die wirklich schweren Fälle warten. Die Gesichtsverbrennungen, die Verstümmelten; die Menschen, die sich vor der Außenwelt verkrochen, weil sie sahen, daß sie überall, wo sie auftauchten, nicht nur Mitleid, sondern auch Entsetzen verbreiteten. Die Narbengesichter, die Nasenlosen, die Ohrlosen. Aber auch die Geiergesichter, die Riesennasen, die fliehenden Kinne. In diesem Zimmer würde sich alles menschliche Elend zeigen. Verwundete Kreaturen, die sich verkrochen vor der Sonne, die gnadenlos auf ihre Zerstörung schien.
    ›Dicki‹ begann mit Raum 1, den Damen. Er trug seine neue Kluft: Hosen, Hemd und Jacke, sogar Strümpfe und Schuhe in ganz blendendem Weiß, als laufe er Reklame für eine Waschmittelfirma. Dazu hatte er eine weiße Schirmmütze, auf deren Band mit goldenen Fäden gestickt war: Almfried-Klinik. Das alles war eine Erfindung des alten Steegert, des Vaters von Marianne. »Die Leute wollen so etwas sehen«, sagte er zu Dr. Lorentzen, als der sich anfangs dagegen wehrte. »Glauben Sie mir, ich kenne das aus meinem Nipphandel. Kitsch verkauft sich wie Sex. Die Amerikaner haben das klar erkannt. Dort wird für Blödsinn mehr umgesetzt als beispielsweise für Kleidung. Das will schon was heißen. Und Sie werden sehen, Doktor: Ihr weißer Dienstmann wird bald in aller Munde sein.«
    ›Dicki‹ sorgte dafür schon von allein.
    »Meine Damen«, sagte er, als er im Wartezimmer 1 stand und seine weiße Mütze gelüftet hatte, »der Herr Chefarzt läßt Sie herzlich willkommen heißen. Falls Sie in die Klinik aufgenommen werden, bin ich Ihr Hausmeister. Sie können sich vertrauensvoll mit allem, was Sie wünschen, an mich wenden. Mein Zimmer ist gleich neben dem Eingang, Nummer 3. Mein Haustelefon ist Nummer 11.« Er machte eine Kunstpause und lächelte treuherzig. »Ich kann Ihnen zum Beispiel sagen, wo man in St. Hubert guten Kaffee und Kuchen bekommt und wo man abends tanzen geht.« Er machte eine kleine Verbeugung, setzte dann seine Mütze wieder auf und bekam ein dienstliches Gesicht. »Ich wünsche einen schönen Tag, meine Damen.«
    Danach marschierte er hinaus, mit hocherhobenem Kopf und hohlem Kreuz. Die Damen sahen ihm erstaunt nach und lächelten still.
    Bei den Herren war ›Dicki‹ deutlicher. »Es gibt in St. Hubert eine Bar, wo auch nette Mädchen sind«, verriet er. »Und im Nebenort, in Sinnershausen, da kenne ich drei Adressen. Auch kann man in St. Hubert, in einigen Privathäusern, Zimmer mieten. Ganz diskret, garantiert.« ›Dicki‹ lächelte schief. »Ich erwähne das bloß für den Fall, daß die Herren Ihre Gattinnen nachholen möchten …«
    Die Herren lächelten zurück. Was die Damen nicht getan hatten, noch nicht, aber ›Dicki‹ erwartete es in aller Stille, das taten die Herren: Sie drückten dem weißen Hausmeister knisternde Scheine in die Hand. Damit war ein Vertrag geschlossen. Adam Czschisczinski sah goldenen Zeiten entgegen.
    Im Warteraum Nr. 3 saß niemand. Noch nicht. ›Dicki‹ atmete auf. Er hatte viel gelesen von den Menschen ohne Gesicht. In der medizinischen Bibliothek Dr. Lorentzens hatte er abends einige Bilder aus den Lehrbüchern über Gesichtschirurgie angesehen. Das hatte ihm genügt.

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