Treibhaus der Träume
Horst, der süße Bengel, ist schnell von Heidelberg da. Er hat einen eigenen Sportwagen …«
Die Damen auf dem Bett, auf den Kissen, auf den Stühlen kicherten und klatschten Beifall. Noch einen Whisky, ein Likörchen.
Die Männer! Zweiundzwanzig Jahre alt. Wie himmlisch jung und kraftvoll. Die eigenen Männer dagegen haben Bäuche, sind müde vom Geldnachjagen, schnaufen im Bett und lesen die Börsennachrichten, statt zur Seite zu langen und zu nehmen, was auf sie wartet. Und doch macht man sich schön für sie … denn es ist unerträglich, zu denken, daß die Dicken, so rätselhaft es ist, gerade die zierlichsten Püppchen finden, die man so im stillen beneidet.
»Und wie ist es bei Ihnen, Marion?« fragte Frau Nitze, die am meisten Schwung in den ›Club‹ brachte. Ihr Mann, der Sprayfabrikant von ›Maienduft‹, hatte ihr geschrieben, er könne nicht zu Besuch kommen. Verhandlungen wegen ›Maienduft‹ in Rom. Eine gute Freundin schrieb einen Tag später. »Er ist mit seinem Reklamemädchen nach Rom. Weißt du, das blonde Gift, das auf den Illustriertenanzeigen seine ›Maienduftflasche‹ in die Luft hält …« Frau Nitze nahm es hin; sie amüsierte sich kräftig in St. Hubert.
»Bei mir?« fragte Marion Stellmacher. »Wieso?«
»Sie haben doch die meisten Erlebnisse mit Männern.«
»Nein.« Marion sah die Damen der Reihe nach an. In ihren Augen sah sie die Spannung. Um ihre Münder bebte es. Der Genuß der Verruchtheit ist wie Opium. »Bei mir geschieht gar nichts.«
»Aber Sie sind doch …«, rief Frau Nitze.
»Ja. Ich bin eine Dirne.« Marion nickte. »Aber es ist nichts Aufregendes dabei. Es ist wie ein Automat. Wie bei einem Roboter. Man gibt Geld, und der Roboter arbeitet. Die meisten Männer kommen, so wie man in ein Automatenrestaurant gehen würde. Manche, vor allem die Reichen, vielleicht Ihre Männer, meine Damen, reden viel. Sie liegen dann neben mir und betrachten mich als Beichtstuhl. Mein Gott, was sie alles erzählen. Von ihren geschäftlichen Nöten, von ihren Frauen, die sich zu mittelalterlichen Statuen verwandeln, von ihren undankbaren Kindern. Sie reden sich aus, bis sie leer sind und zufrieden. Das bißchen Liebe hinterher ist nur eine Selbstbestätigung, daß man noch ein Mann ist. Es sind arme Kerle, meine Damen.«
Im Zimmer lag betretenes Schweigen. Frau Nitze trank nervös ein großes Whiskyglas leer. Frau Lohmaier knabberte Gebäck.
»Und die große Liebe?« fragte jemand in die Stille.
»Ich weiß nicht, was das ist.« Marion Stellmacher sah in ihr Glas.
»Sie haben nie geliebt? Im Urlaub, wie unsere Else den süßen Rugiero?«
»Nein. Ich habe noch nie geliebt.« Marion Stellmacher sah sich wieder im Kreise um. »Sie alle leben glücklicher als ich. Es ist nicht bloß damit getan, einen Mann zu fühlen. Das Herz muß dabei sein … und ich habe mein Herz noch nie gespürt …«
An diesem Abend löste sich der ›Club‹ bald auf. Draußen regnete es. Nach drei Wochen endlich wieder Regen. Die meisten der Damen gingen zu Bett. Nur Frau Haut, eine schlanke, stille, etwas herbe Dame, von der alle nur wußten, daß sie aus Konstanz stammte und ihr Mann dort eine Apotheke habe, blieb wach. Sie war die fleißigste Diätlerin, sie machte alle Gymnastikübungen mit, sie klagte nie. Unnahbar ragte sie aus dem fröhlichen Kreis der anderen Damen heraus. »Die ist aus Holz gemacht«, sagte Frau Nitze einmal. »Bei der holt sich ein Mann ja Splitter …«
Von St. Hubert herauf wehte ein Glockenschlag. 22 Uhr. In den meisten Zimmern waren die Lichter erloschen. Frau Haut setzte sich an den Frisiertisch. Über den Flur huschte etwas herbei, die Tür öffnete sich und schloß sich leise. Die Friseuse der Schönheitsfarm, ein Fräulein Elfi, stand im Zimmer.
»Hat Sie jemand gesehen, Elfi?« fragte Frau Haut hoheitsvoll.
»Niemand, gnädige Frau. Aber was Sie verlangen … ich verliere sofort meine Stellung, wenn …«
»Elfi, reden Sie nicht.« Frau Haut schob einen Hundertmarkschein über die Glasplatte des Frisiertisches. »Fangen Sie an.«
Eine halbe Stunde später kannte niemand Frau Haut wieder. Ihr Haar war hochgesteckt. Über den stolzen Augen schwebten lange, falsche Wimpern. Schwarze Lidstriche vergrößerten die Augen noch und gaben ihnen Geheimnis und Lockung. Wenn sie die Lider senkte, flimmerte es grünlich. Lidschatten aus einem phosphoreszierenden Stoff. Die Lippen glänzten üppig.
»Und nun der Clou«, sagte Frau Haut. Sie lehnte sich zurück, und Elfi
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